Brief an Britney Spears: Dear Britney,
Hamburger Soundtrack
von Nils Schuhmacher
vor zwei Wochen habe ich Jochen Distelmeyer einen Brief geschrieben. Er ist ein hierzulande bekannter Liedermacher, so wie Bruce Springsteen, aber mit weniger Fabrik und dafür mehr College, also eher wie Leonard Cohen. Jochen hat vorgestern eine Platte mit Coversongs veröffentlicht. Unter anderem darauf zu finden: dein „Toxic“.
Dass die Platte „Songs from the Bottom Vol. I“ heißt, legt nicht nur nahe, dass weitere folgen. Vor allem wird eine bedeutungsschwangere Fährte gelegt. Die Lieder können zum Beispiel einem Bodensatz an Gefühlen (Stichwort „Bottom of my broken heart“, ein Lied von dir), einem Bodensatz an sozialen Lagen (Stichwort „Piece of me“, auch ein Lied von dir) oder – Gott bewahre – einer Alkoholneige entstammen (Stichwort „seein’ life through the bottom of a bottle“, nicht von dir, sondern von SNFU).
Das Erste ist harmlos. Gefühle haben wir ja alle. Die zweite und dritte Option lässt allerdings manche unbequeme Frage aufkeimen. Und deshalb habe ich Jochen einfach mal gebeten, mir (also uns beiden) kurz mitzuteilen, wo denn dieses bottom jetzt seiner Ansicht nach angesiedelt sein soll.
Eine Antwort stand lange aus, und meine Zweifel sind täglich gewachsen, ob überhaupt noch mit ihr zu rechnen sei. Und dann dies: im Freitag („Last friday night“, ein Lied von dir) hat Jochen unlängst doch reagiert, wenn auch in dem ihm eigenen Rätselsprech. Trotzdem ist jetzt bekannt, dass er und du „gut“ zusammenpassen. Und warum?
Weil sein Album – so wie dein Werk – ein „Pop-Statement“ ist, ein „Bekenntnis zur Prägnanz und Klarheit von Popmusik“. In diesem Sinne, jetzt wird es etwas philosophisch, darfst du das Cover auch einfach als „Anrufung einer vergifteten Sirene“ betrachten, „auf die ich mit einer Blues-Version antworte“. Das hat mir zu denken gegeben, denn in dieser Zeitung wurde vor nicht allzu langer Zeit ja sogar bestritten, dass du überhaupt eine „Sirene“ bist und in Kombination mit deinem Namen konnte man allenfalls so etwas lesen wie „bei diesem Outfit schrillen die Sirenen der Mode-Polizei“ (Bunte).
Und jetzt also: halb Frau, halb Vogel, eigene Show in Las Vegas. Und auch schillernd, weil in einer quälend-tragischen Dauerverhandlung mit dem Status als öffentlicher weiblicher Pop-Person verfangen. Und da wären wir auch schon bei Claire Boucher ,der hier und da prophezeit wird, mit ihrem eklektischen Mix aus allem unter dem Namen Grimes (18. 2., Docks) gleich durch die Decke zu gehen. Boucher hatte zwar ein Poster von dir im Kinderzimmer hängen, lässt sich aber auf die Fallen gar nicht ein, die ihr das Business so stellt, denn sie ist a) erklärtermaßen nur eine Kunstperson und deshalb hochprofessionell und kann b) ihrer Verwertung als vergifteter Sirene nur ein superabgeklärtes „People are driven by hormones“ entgegenwerfen.
Und was sagen wir dazu? Vielleicht wird sie so wirklich zum neuen „Superstar des Pop“ (Zeit-Magazin). Auf Vol. II wird sie es aber nicht schaffen.
Wish you what!
Yours, Nils
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