piwik no script img

■ Brennend heißer WüstensandAbsurdes Theater in Somalia

Gut, daß es das Fernsehen gibt. Da standen sie also, unsere Jungs, im brennend heißen Wüstensand, und probten, mitten im somalischen Sandsturm, für die nächste (die wievielte?) Besuchergruppe aus Deutschland eine schöne gerade Reihe zu bilden. Wüst wehte der Wüstensand über sie hin, daß es kein Vergnügen war, sich vorzustellen, wie sie den hinterher aus allen Stiefeln und Bundfalten wieder herauspulen. Nächstes Bild: die Hauptbeschäftigung. Gewehrläufe werden ordentlich gesäubert, dreimal täglich. Dieser Dreckswind, der allmählich alle verrückt macht! Drittes Bild: Die regierungsamtliche Besuchergruppe, alle im flotten Westernlook, Trapperhut mit baumelnder Kordel und breiter Krempe auf dem windverwehten Haarschopf, haben auch was mitgebracht: Früher strickte die Frauenhilfe Wollsocken, daß paßt hier und heute nicht, also Gesellschaftsspiele. Aber wo sind nur die Eingeborenen, die zu dieser vergilbten Fotoszene aus Deutsch-Südostafrika doch traditionell dazugehören, wenn es Grüße aus der Heimat zu verteilen gilt. „Das ist vielleicht eine Scheiße hier...“, sagt einer der Rekruten unplanmäßig und außerhalb des offiziellen Programms, „wenn ich hier mal auspacken würde...“ Ja, das hörte man wohl gern, kann man aber fast schon selbst dichten, den Text. Schon aber schwenkt die Kamera zu den geplagten Truppenleitern. „Das hier ist für mich eine wichtige Lebenserfahrung“, sagt einer, das klingt wieder ein bißchen nach Ashram in Alhambra. „Die Menschen“, sagt er, „irgendwie tun wir was für die Menschen hier.“ Aber: Wo bleiben die Inder? Die Inder, ach, die sollen doch bleiben, wo der Pfeffer wächst. Irgendwie und irgendwo machen wir uns hier schon nützlich!!! Spot off.

Absurdes Theater. Das ist der Stoff, aus dem nun seit Wochen die Frage der Fragen gemeißelt wird, die die Öffentlichkeit wild bewegt, die SPD, wieder einmal, fast zerreißt, das Bundesverfassungsgericht nicht schlafen läßt, nämlich, ob nicht die Deutschen endlich (endlich mit drei Ausrufungszeichen) dem dringenden Ruf der ganzen Welt entsprechen und endlich (siehe oben) auch einmal Verantwortung übernehmen möchten. Absurdes Theater, absurde Inszenierung, erstklassige Regie. In derselben Zeit, das zeigt auch das Fernsehen, ist es nicht gelungen, ein verbranntes Kind aus Sarajevo rechtzeitig in einer deutschen Klinik für Brandopfer unterzubringen – weil keine Zahlungszusage vorlag. Antje Vollmer

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen