: Bremer SPD kämpft allein
Das „Nein“ der Bremer Genossen zur Privatisierung der Bahn wird die Geschichte nicht aufhalten: SPD-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee hofft auf neun Milliarden Euro privaten Kapitals
Von Klaus Wolschner
Mit 77 gegen 25 Stimmen hat das Präsidium der SPD gestern in Berlin die neue Parteilinie für eine Privatisierung der Bahn festgeklopft. „Der Beschluss des Parteirates widerspricht dem ausdrücklichen Willen des letzten SPD-Bundesparteitages“, kritisiert der Juso-Landesvorsitzende Tim Cordßen die Entscheidung.
Weil Parteirats-Mitglied Peter Kruse, der Vorsitzende des Unterbezirks Bremen-Stadt, krank im Bett lag, war nur Marthin Günthner aus Bremerhaven nach Berlin gefahren. „Ich habe natürlich den SPD-Landesparteitagsbeschluss umgesetzt und dagegen gestimmt“, sagt Günthner. Vor allem aus Berlin und Mecklenburg-Vorpommern seien die anderen Gegenstimmen im Parteirat gekommen.
Die SPD hatte sich auf ihrem Hamburger Parteitag im Oktober 2007 dazu durchgerungen, einer Teilprivatisierung zuzustimmen unter der strengen Auflage, dass es nur stimmrechtslose Vorzugsaktien, so genannte „Volksaktien“, geben dürfe. Diese Variante aber ist für Finanzminister Peer Steinbrück uninteressant, weil das Modell kein Kapital von Investoren locken würde. Der Bund rechnet mit Erlösen von bis zu 9 Milliarden Euro aus dem Verkauf des Staatsbetriebs.
Auf dem Hamburger Bundesparteitag bekam der Slogan „Die Bahn gehört uns allen“ immer wieder Beifall. „Private Investoren dürfen keinen Einfluss auf die Unternehmenspolitik ausüben“, heißt es in einem Parteitagsbeschluss. Dennoch ist jetzt vorgesehen, dass 24,9 Prozent des Bahn-Aktienkapitals an Investoren verkauft werden.
Günthner kündigte an, dass sich die Bremer SPD-Vertreter für einen Sonderparteitag einsetzen werden, der entscheidet, ob die alte Linie korrigiert werden kann.
SPD-Chef Kurt Beck müsste auf einem Sonderparteitag eine Niederlage befürchten, für die Basis der SPD ist ein Einknicken bei der Bahnprivatisierung gleichbedeutend mit dem Verlust sozialdemokratischer Glaubwürdigkeit. Beim Bremer SPD-Parteitag warb der gerade frisch wiedergewählte Landesvorsitzende Uwe Beckmeyer eindringlich dafür, Kurt Beck einen Sonderparteitag zu ersparen. Doch eine überwältigende Mehrheit entschied gegen Beckmeyers Appell – und für den Sonderparteitag. Uwe Beckmeyer sei Profi genug, um nun die Forderung nach einem Sonderparteitag mitzutragen, sagt Parteirats-Mitglied Martin Günthner.
Zumal die Bremer Initiative kaum Chancen hat und Beck nicht wirklich in Bedrängnis bringt: Insgesamt acht Landesverbände müssen zusammenkommen, um einen Sonderparteitag zu erzwingen. Zwar wollen die Jusos bundesweit für den Sonderparteitag mobilisieren, aber die Lust in der SPD, weiter an der Demontage des Vorsitzenden zu arbeiten, dürfte geringer sein als die Prinzipientreue. „Wir teilen den Wunsch von Kurt Beck, wieder näher bei den Menschen zu sein, und 70 Prozent der Deutschen lehnen die Bahnprivatisierung ab“, so hatte der SPD-Delegierte Peter Conradi das Problem beschrieben – vor dem Hamburger Parteitagsbeschluss.