Bremer Kita-Beschluss: Wenn aus Sollen Müssen wird

Im nächsten Kita-Jahr sollen alle Kinder, die im dann laufenden Kalenderjahr drei Jahre alt werden, in den Kindergarten. Träger und Elternvertreter sind entsetzt.

Kinder unter drei sind eine Herausforderung an die Töpfchenlogistik einer Kita Bild: dpa

BREMEN taz | Über 22.000 Kinder, unter ihnen 6.000 unter Dreijährige, sind in der Stadt Bremen am ersten August ins Kita-Jahr gestartet – zur großen Zufriedenheit der grünen Sozialsenatorin Anja Stahmann. Denn damit hat sie den neuen Rechtsanspruch auf Betreuungsplätze auch für Kinder unter drei Jahren erfüllt. Skeptisch zeigte sich hingegen die Bremische Evangelische Kirche (BEK): Die Vorgaben, kritisierte damals Carsten Schlepper, Leiter der evangelischen Kindertageseinrichtungen, seien nur quantitativ erfüllt. Und nun sorgt ein Beschluss des Jugendhilfeausschusses für Zündstoff, denn im nächsten Jahr sollen alle Kinder, die 2014 drei Jahre alt werden, in den Kindergarten.

„Wir halten das für eine weitere Standardabsenkung“, sagt Schlepper. Bereits jetzt seien 80 Prozent dieses „hereinwachsenen Jahrgangs“ in Kindergärten aufgenommen worden, viele seien dorthin „versetzt“ worden, um die benötigten Plätze für die noch Jüngeren zu schaffen. Aber: „Sowohl die personelle als auch die räumliche Ausstattung ist dafür nicht ausreichend.“ Gerade im kinderreichen Stadtteil Schwachhausen gebe es „einen Engpass.“

Das sieht auch Torsten Bobrink so, Sprecher der Gesamtelternvertretung Bremen: „Die Einrichtungen der städtischen Kita Bremen sind bis oben hin voll, da gibt es keine Kapazitäten für zum Beispiel zusätzliche Schlafräume oder Wickelstationen.“ Noch Mitte Oktober habe ihm der grüne Staatsrat Horst Frehe versichert, es werde eine „Soll-Regelung“ geben: „Und dann stellte sich heraus, dass es eine Muss-Regelung wird: Eltern und Träger können nicht mehr entscheiden, ob ein Kind schon mit bis zu Sechsjährigen in den Kindergarten gehen soll.“

Hinzu komme, dass trotz finanzieller Hilfen, die Träger für die U-3-Betreuung erhalten haben, die Gruppen doppelt so groß sind wie in den Krippen: „Auch deshalb wollen Eltern ihr noch recht kleines Kind oft erst in einer Krippe betreuen lassen.“ Heidemarie Rose, im Sozialressort zuständig für die Kitas, habe die Möglichkeit benannt, dass Eltern einen Antrag beim Sozialressort stellen könnten, wenn sie ihre Kind in eine Krippe schicken möchten, „aber das ist eine Hürde, die viele nicht nehmen wollen – die verzichten dann lieber ganz auf einen Kitaplatz“. Mit der neuen Regelung würden Träger nun gezwungen, Kinder aufzunehmen, „die haben da kein Mitspracherecht mehr“.

Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts, widerspricht: „Es wird doch lediglich eine formale Grundlage für das geschaffen, was bereits jetzt schon Usus ist.“ Wer bei wem und mit welcher Begründung einen Antrag auf „Befreiung“ vom Kindergarten stellen müsse, das sei noch gar nicht entschieden: „Das werden Bestandteile des neuen Ortsgesetzes sein, die aber noch gar nicht diskutiert wurden.“

Bis Januar, wenn die Kita-Anmeldungen erfolgen müssen, soll das alte Ortsgesetz geändert werden. Fest steht jedenfalls, „dass die Träger gebunden sind und nicht mehr Kinder des vierten Quartals ablehnen können.“ Fest steht auch, „dass besondere Gründe nachgewiesen werden müssen, die gegen eine Aufnahme in einen Kindergarten sprechen“. Es handele sich bei den Neuerungen keinesfalls um eine „Muss-“, sondern durchaus um eine „Soll-Regelung“: „Müssen bedeutet ja: Es gibt keine Ausnahmen“, sagt Schneider.

Sowohl die Bürgerschaftsfraktion der Linken als auch die CDU werfen dem Sozialressort vor, mit den Neuerungen Geld sparen zu wollen, denn ein Krippen-Platz sei doppelt so teuer wie ein Kindergartenplatz: „In der Rechnung stimmt das“, sagt Schneider, „aber nicht in der Kausalität.“ Schließlich komme zu den Kita-Ausbauplänen, die schon in Arbeit sind, noch einmal der Bau von rund 100 Hortplätzen hinzu. „Wir können die Neuregelung nur akzeptieren“, sagt Torsten Bobrink, „wenn jede Kita U-3-gerecht ausgebaut wird – und zumindest bei Kita Bremen wäre das nur möglich, wenn Hortplätze wegfielen.“

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