Bremens Queen am Queue

■ Birgit Reimann wurde vier Jahre nach ihrer ersten Billard-Partie Deutsche Meisterin

“Eigentlich muß man ein ganzes Spiel vorplanen.“ Birgit Reimann steht vor dem Pool-Tisch und hat gerade eine Partie 14/1 „aufgemacht“. Wie aufgeregte Hühner sind die Kugeln vor dem Angriff der weißen auseinandergelaufen, ein helles, kurzes Klick, die Kugeln auf und davon. Jetzt liegen sie verstreut über dem grünen Filz und warten darauf, das sie im Loch versenkt werden.

Birgit Reimann, Deutsche Billard-Meisterin im 14/1 1989, läßt das Queue in der Luft tanzen. „Erst mit der weißen einen Stopper, dann rollt die 1 ins Loch und die weiße bleibt gleich liegen...“ und dann malt sie die Linien, die die Kugeln laufen sollen, mit dem Queue in der Luft und erklärt die nächsten vier, fünf Stöße, gut berechnet ist halb gewonnen, nur Anfänger sind froh, wenn sie eine Kugel versenken. Bei Könnern muß gleich auch die nächste richtig liegen. Ganz leicht und locker geht das bei Birgit Reimann, „mit etwas Übung sieht man das alles sofort“, sagt sie.

Dann beugt sie sich über den Tisch und die Leichtigkeit ist verschwunden. Für Sekunden ist sie Konzentration selbst. Das Queue läuft wie in einer Schiene über die Knöchel ihrer linken Hand, einmal zweimal dreimal, erste Annäherungen an die Kugel, die Augen scheinen einen magnetischen Kontakt zu den Kugeln herstellen zu wollen. Die Kraft der Ruhe, dann der Stoß, wieder dieses helle Klick, die 1 rollt ins Loch, die weiße bleibt dort liegen, wo sie die 1 getroffen hat. Alles paßt, „das hat man im Gefühl“.

Vielmehr ist aus ihr nicht herauszubekommen. Keine Figuren,

Ihr entrinnt keine Kugel: Birgit ReimannFoto: Jörg Oberheide

die bis zur Perfektion trainiert werden, keine Konzentrationsübungen, „das geht nur schief“. Einmal, da hat sie bei einem Turnier richtig Atemübungen machen wollen, und ist nur immer nervöser geworden, seitdem läßt sie es. Reingehen, hinsehen, spielen. „Ein Kampf gegen die Kugeln“, ein „Sport im Kopf.“

Angefangen hat es mit einem Bekannten in eine Billard-Halle 1985, das hat ihr gefallen, und seitdem spielt sie. Erst an kommerziellen Tischen, dann, über ein paar Umwege, bei Bremen 1860. „Die haben hier so einen Tick für ausgefallene Sportar

Billard-Spielerin

ten.“ Birgit Reimann kommt das entgegen. Vier Jahre nach ihrem Billard-Debut wird sie Deutsche Meisterin im 14/1 und erntet damit ihren bislang größten Erfolg, zweimal war sie bei der Europameisterschaft dabei. Das es beim letzten Mal „nur“ zum 9. Platz gereicht hat, lag an ihr selbst. „Du verlierst im Kopf, weil du denkst, daß die anderen besser sind.“ So kann man nicht gewinnen.

Billard spielt man, wie man sich fühlt, sagt die Reimann. Viel Erfahrung gehört dazu. Spielt man einen Stopper oder einen Rückzieher, bei dem die Kugel wieder zurückläuft? Oder besser einen Mitläufer? Alles eine Frage des Anstoßpunktes auf der weißen Kugel. Ist der Filz abgespielt und schnell, oder ist er neu, langhaarig und deshalb langsam? Wo trifft die Lederspitze des Queues auf die Kugeln, welchen Drive soll die Spielkugel haben? Beim Billard darf man nichts dem Zufall überlassen.

Nur etwa fünf Prozent der organisierten Billard-Spieler sind Frauen. Birgit Reimann ist das ziemlich egal, solange sie spielen kann. Die Klasse eines Spielers richtet sich nicht nach dem Geschlecht, sondern nach der Spielerfahrung. Gegen den Deutschen Meister hätte sie wohl kaum eine Chance, aber nicht, weil der ein Mann ist, sondern weil er mehr Spielerfahrung hat.

Reimanns Trainingspensum ist zur Zeit eher karg. Zwei Stunden pro Woche, nur manchmal wird es mehr. Ihr Diplom in Volkswirtschaft steht vor der Tür, da bleibt der Queue in der Tasche. Profispielerin, das wäre nichts für sie. „da müßte ich zuviel für aufgeben.“ Profis fahren von Turnier zu Turnier und haben ihren festen Wohnsitz in Hotels.

Die ein oder andere Mark läßt sich gelegentlich aber auch in diesem Land machen. Turniere mit Preisgeldern um 1.000 Mark werden vornehmlich im Süden der Republik ausgespielt, im Norden ist gerade mal Hamburg noch mit einer ansehnlichen Szene im Billard vertreten. Dann ist Birgit Reimann dabei, wenn sie gerade Zeit hat. Ihre Gegner nimmt sie dabei am liebsten gar nicht zur Kenntnis. „Ich gucke immmer weg, wenn die anderen dran sind“, sagt sie.

Und während sie das alles erzählt, hat sie den ganzen Tisch abgeräumt, Erklären hier, klick, stoßen dort klick, klick, als Antwort der dumpfe Aufschlag der Kugeln in den Löchern. Nichts besonderes, Billard eben. mad