: Bremen-Nord: Hausbesetzer „umgezogen“
■ Nach Schlachterei jetzt Vulkan-Villa besetzt
Im zweiten Stock werden Bretter vernagelt, einer schrubbt den Klo-Fußboden, ein anderer verbarrikadiert Fenster mit Aluträgern. Die BesetzerInnen des Nawatzki-Hauses in Vegesack richten sich auf einen längeren Aufenthalt ein. „Das ist gegen eine Räumung. Wir wollen es denen ja nun nicht ganz so einfach machen“, gibt eine der HandwerkerInnen Auskunft.
Bislang haben weder Polizei noch der Eigentümer des Hauses, der Bremer Vulkan, konkrete Schritte gegen die Jugendlichen unternommen. Lediglich ein Vulkan-Werkschützer bat, die hinter dem Nawatzki-Haus liegende Baracke in Ruhe zu lassen. Dort würden Betriebsangehörige ihre Freizeit verbringen.
Hausbesetzungen haben in Bremen-Nord zur Zeit Hochkonjunktur. Erst vor einer Woche wurde das Lindemann -Haus in Lesum geräumt. Die meisten der 30 bis 40 Jugendlichen in Vegesack gehörten auch dort zum harten Kern. „Wir sind umgezogen“, bemerkt einer von ihnen ironisch. Ihre Forderungen sind immer noch die gleichen: Billiger Wohnraum für „alternatives, unkommerzielles Wohnen“.
Ihr Objekt haben die Jugendlichen mit Bedacht gewählt. Denn: Das Anwesen steht seit rund zehn Jahren leer. Lediglich 1981 gab es
für drei Tage etwas Bewegung, das Haus schon einmal besetzt. Nach BesetzerInnen-Informationen sollte das Haus damals in ein Altersheim umgebaut werden. So verließen die BesetzerInnen es seinerzeit mehr oder weniger freiwillig. Passiert indes ist bis heute nichts.
Was in Zukunft mit dem Haus passieren soll, ist zur Zeit noch unklar. Der Bremer Vulkan war gestern zu keiner Stellungnahme bereit. „Wir werden die Sache prüfen“, hieß es lediglich. Dem zuständigen Bauamt Bremen-Nord ist auch nichts bekannt. Dessen Leiter, Christoph Steuer: „Es gibt keinen Bauantrag.“
Detmar Leo, Vorsitzender der SPD in Bremen-Nord, versuchte den BesetzerInnen inzwischen klar zu machen, daß sie sich irgendwie organisieren müßten: Leo: „Der Senat oder die Behörden brauchen doch jemanden, an den sie sich halten können.“ Die BesetzerInnen allerdings sind davon nicht sehr begeistert. „Wenn was schief läuft, werden wir alle kriminalisiert.
Im Gegensatz zur Lesumer Besetzung können die Jugendlichen in Vegesack nicht auf die Solidarität der NachbarInnen bauen. Bis jetzt hat nur eine alte Dame nachgefragt, ob vielleicht ein Besen gebraucht wird.
ubu
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