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Bremen-München-Amtsgericht

■ Bundesbahn warf Bremer Mitfahrerzentrale Betrug vor: Freispruch

„Na, das ist ja toll.“ So oder ähnlich müssen die damals 19jährige Tanja und ihre gleichaltrige Freundin Gisela gedacht haben, als sie im September 1988 ein prima Angebot bekamen. Für 84 Mark einmal Bremen und München und retour, so glaubten sie. Und das auch noch mit der sonst so teuren Bundesbahn. Doch der Super-Sonder-Schleuderpreis erwies sich als Flop. Ob, und wer wen da vor eineinhalb Jahren betrogen hat, versuchte gestern der Bremer Amtsrichter Peter Mertens zu ergründen. Nach zweieinhalbstündiger Wahrheitssuche endete das Verfahren mit einem Freispruch für Johann S.

Johann S. war damals Mitinhaber einer Bremer Mitfahrerzentrale. Neben der Vermittlung von Lifts in Autos hatte sich damals ein neues, gutnachgefragtes Angebot ergeben: Die Vermittlung von Bundesbahnfahrkarten Marke Sparpreis. Wer damals statt einer einfachen Fahrt, Kostenpunkt 180 Mark, ein rosa-rotes Billigticket erwarb, bekam Hin- und Rückfahrt für 120 Mark. Logisch, daß die meisten Einfachfahrer billige Retourscheine

erstanden. Was aber tun mit der freien Rückfahrt? In der Bremer Mitfahrerzentrale fanden die Ticketbesitzer einen guten Abnehmer. Wurde die Karte verkauft, erhielt der Kunde 30 Mark, die gleiche Summe, die auch ein Autofahrer bekommt.

Zwar druckte die Bundesbahn auf die Tickets den Vermerk: „Nach Reiseantritt nicht übertragbar“, zwar wurde eigens die „Eisenbahn-Verkehrsordnung geändert“, um das Ganze justiziabel zu machen, doch Chancen den Handel mit billigen Bahnkarten zu unterbinden, hatte und hat die Bundesbahn kaum. Denn schließlich sind die Supersparkarten ohne Käufernamen ausgestellt. Da kam der DB die Dusseligkeit von Tanja und Gisela zu Paß. Die wurden auf der Rückfahrt aus dem Süden ohne gültigen Fahrausweis angetroffen. Ihre Ausrede: Die Mitfahrerzentrale hätte ihnen das Ticket als Hin- und Rückfahrtschein verkauft.

Eine Behauptung, die Dieter Büsing, den Inhaber der Mitfahrzentrale, gestern als Zeuge regelrecht in Harnisch versetzte: „Wir vermitteln immer nur in eine

Richtung, nämlich von Bremen weg.“ Die unausgesprochene Vermutung: Die beiden Frauen seien schwarz gefahren.der Tanja und Gisela mußten dazu nicht aussagen, da ein gegen sie in gleicher Sache laufendes Verfahren wegen „Beförderungserschleichung“ noch nicht rechtskräftig abgeschlossen wurde. Um so mehr redete sich dafür der Zeuge Büsing seinen Frust von der Leber: „Die Bundesbahn stellt die Mitfahrerzentralen immer als Betrüger hin. Aber die vertritt nicht Recht, sondern Willkür.“ Und: „Wenn ich nach München fahre und meine Mutter fährt mit dem Ticket zurück, das soll rechtswidrig sein? Das versteht niemand.“

Die Tarifpolitik der Bundesbahn wollte Richter Mertens nun doch lieber nicht zum Gegenstand des Verfahrens machen. Er hielt sich an die Eisenbahnverordnung: Aber daß ein Verstoß dagegen gleich einen Betrugsvorwurf rechtfertigt, vermochte er nicht einzusehen. Konsequenz: Ein Freispruch, der aber nicht das von der Mitfahrerzentrale erhoffte Grundsatzurteil in Sachen Spartickets bedeutet.

hbk

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