■ Brasilien–USA: „Sie ziehen sich die Schuhe an wie wir“
San Francisco (taz) – Wer vor der WM prophezeit hätte, daß ausgerechnet Karten für ein Spiel der USA zu Bestsellern auf dem Schwarzmarkt würden, den hätte man wegen Gefährdung der geistigen Gesundheit der US-Bevölkerung des Landes verwiesen. Der unverhoffte Sieg gegen Kolumbien hat einen Anflug von Fußballwahn ausbrechen lassen, und daß das Jahrhundertspiel am Unabhängigkeitstag stattfindet, scheint ein Wink des Schicksals. „Nichts, was Ihr euch vorstellen könnt“, sagt Abwehrspieler Paul Caligiuri, „ist besser, als am 4. Juli gegen Brasilien zu spielen.“ Schon die mit 0:1 verlorene Partie gegen Rumänien hatte mit 22 Millionen eingeschalteten Geräten einen neuen Soccer- Rekord erzielt. Das heutige Match, das ABC vom Kabelsender ESPN übernommen hat, um eine größere Reichweite zu gewährleisten, wird neue Maßstäbe setzen. Da macht es auch nichts, daß, wie böse Zungen bemerken, die Chancen, daß die Erde eine Scheibe ist, größer sind als die des US-Teams. „Wir können sechs Tore bekommen“, gibt Mittelfeldspieler Tab Ramos zu, doch keiner der US- Spieler vergißt, am Ende ein großes „Aber“ hinzuzusetzen. „Aber: Sie haben seit zwanzig Jahren das Finale nicht erreicht. Da ist immer ein Spiel, wo sie Pech haben. Vielleicht ja gegen uns“ (Ramos). „Aber: Sie ziehen sich die Schuhe genauso an wie wir“ (Alexi Lalas). Ein Sieg würde die Nation ähnlich durchrütteln wie der Endspiel-Triumph der US-Eishockeyspieler bei den Olympischen Spielen 1980 gegen die übermächtige Sowjetunion. Einige Spieler hätten allerdings auch dann gemischte Gefühle. Der in Uruguay aufgewachsene Tab Ramos: „Jeder, der den Fußball liebt, wünscht in einem Winkel seines Herzens, daß Brasilien erfolgreich ist.“Matti Lieske
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