: Brandenburger Häftlingsrevolte
Brandenburg (adn) — Die Spitzenkandidaten für den Brandenburger Landtag Manfred Stolpe (SPD) und Innenminister Peter-Michael Diestel (CDU) sprachen am Donnerstag mit den vier Gefangenen des Strafvollzugs Brandenburg, die seit Mittwochabend den Dachboden eines der Gefängnisgebäude besetzt halten. Die Häftlinge sitzen im Dachgebälk und drohten vom Dach zu springen, wenn ihre Forderungen nicht geprüft würden. Auch nach dem Gespräch wollten die vier Demonstranten trotz eisiger Kälte auf dem Boden verharren, bis sich ihre Situation real verbessert. Wie ein Häftling betonte, sei mit dieser öffentlichen Aktion ein gewaltsamer Ausbruch verhindert worden. Stolpe, um dessen Anwesenheit die Häftlinge gebeten hatten, betonte ausdrücklich, daß es sich bei den Demonstranten nicht um Abenteurer handle. Das Problem bestehe akut seit Dezember vergangenen Jahres und eine Lösung sei bisher verzögert worden. Er sei überzeugt, daß oft unverhältnismäßig hoch gestraft wurde und Verfahren teils mangelhaft durchgeführt wurden.
Diestel verwies darauf, keine Amnestie erlassen zu können, versprach aber auf eine gesamtdeutsche Entscheidung hinwirken zu wollen. Bis dahin würden in Verantwortung der DDR-Justiz alte Verfahrensunterlagen geprüft und dazu angebotene Hilfe von nordrhein-westfälischen Juristen in Anspruch genommen. Anfangs hatten die Häftlinge ein Gespräch mit dem Innenminister abgelehnt.
Diestel verwies ferner auf die Möglichkeit, daß Anstaltspfarrer Johannes Drews die Probleme der Häftlinge vor dem Volkskammerpräsidium vortragen könne. Als drittes sagten Diestel und Stolpe zu, bei Übernahme von Regierungsverantwortung im Land für Rechtsstaatlichkeit in der Strafvollzugseinrichtung zu sorgen.
Zur Zeit sitzen in Brandenburg über 1.000 Häftlinge zumeist langjährige oder lebenslange Strafen ab. Nach Angaben der Polizei sind drei der Revoltierenden wegen Mordes beziehungsweise schwerer Brandstiftung zu Haftstrafen bis zum Jahr 2002 verurteilt. Einer der Besetzer verbüßt lebenslange Haft. Die Vier fordern eine allgemeine Amnestie und hatten in diesem Zusammenhang Gespräche mit Politikern sowie Medienvertretern verlangt. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Aktion waren von Vertretern der Anstaltsleitung Gespräche mit den revoltierenden Gefangenen aufgenommen worden. Die vier Männer hatten am Mittwochnachmittag eine Veranstaltung genutzt, um unbemerkt auf den Dachboden des Gebäudes zu gelangen.
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