Brandenburg will Stasi-Beauftragten: Brandenburg bringt Licht ins Stasi-Dunkel
Nach nur 20 Jahren Bedenkzeit will die Koalition aus SPD und CDU in Brandenburg einen Stasi-Beauftragten einführen - als letztes aller ostdeutschen Bundesländer.
Manche brauchen halt länger: 20 Jahre nach dem Mauerfall will Brandenburg mehr für die Aufklärung seiner Stasi-Geschichte tun und einen Stasi-Beauftragten ernennen - als allerletztes ostdeutsches Bundesland. Die Regierungskoalition von CDU und SPD will noch in diesem Jahr den Posten einführen.
"Die Debatte ist so weit gediehen, dass sich nur noch die Frage nach dem Wie stellt", sagt SPD-Generalsekretär Klaus Ness. Ministerpräsident Matthias Platzeck stehe hinter dem Plan. Auch die märkische Linke signalisiert Zustimmung, die CDU ist sowieso dafür. "Bei uns besteht diese Forderung schon lange", versichert CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski.
"Damit bewegt sich Brandenburg zurück in die Normalität", kommentiert der Leiter des Forschungsverbunds SED-Staat an der Freien Universität, Klaus Schroeder, die späte Entscheidung. Ein Brandenburger Stasi-Beauftragter sei "nicht nur sinnvoll, sondern notwendig". Die Aufklärung zur Stasi-Vergangenheit sei hier noch unterentwickelt. "Der Beauftragte könnte die oft emotionalen Debatten über die DDR-Vergangenheit versachlichen", hofft Schroeder. Auch Martin Gutzeit, Berliner Stasi-Beauftragter, sieht Bedarf für einen märkischen Kollegen: "Die NS-Zeit wird heute auch immer noch aufgearbeitet."
Warum aber brauchte die Entscheidung für einen Stasi-Beauftragten 20 Jahre? "Das Thema wurde bewusst verdrängt", ärgert sich die Brandenburger Bundestagsabgeordnete der Grünen, Cornelia Behm. Die SED-Aufarbeitung werde in dem Land stiefmütterlich behandelt. SPD-Mann Klaus Ness sagt dagegen, bisher sei es schlicht die Birthler-Behörde mit ihren Außenstellen in Frankfurt (Oder), Cottbus und Potsdam gewesen, die die Aufgaben übernommen hätte. Mit der Schließung ihrer Potsdamer Dependance zum Jahresanfang hätte sich die Lage jedoch geändert. CDU und Grüne verweisen dagegen auf den früheren SPD-Landeschef Manfred Stolpe, der das Land von 1990 bis 2002 reagierte - und über dessen Stasi-Kontakte Mitte der 90er-Jahre heftige Debatten im Land tobten. Seitdem hätte sich die SPD standhaft gegen einen Stasi-Beauftragten gewehrt, so Behm.
Als Indiz dafür sieht die Grünen-Abgeordnete den Versuch der SPD, den Berliner Beauftragten auch für Brandenburg zuständig zu machen. Der SPD-Generalsekretär hält dies schlicht für eine Frage von Synergien und der Nutzung der langjährigen Erfahrung von Martin Gutzeit. Der Berliner Stasi-Beauftragte und frühere Mitbegründer der Ost-SPD ist seit 15 Jahren im Amt. Gutzeit selbst sieht eine Doppelrolle "nur mit der entsprechenden personellen Ausstattung" möglich. FU-Professors Klaus Schroeder hält einen gemeinsamen Beauftragten dagegen für "Quatsch". Es bedürfe eines speziellen Ansprechpartners und Experten vor Ort.
Einig sind sich CDU und SPD hingegen bei den Aufgaben des künftigen Beauftragten: Zum einen die Beratung von Opfern, beispielsweise über die Herausgabe von Stasiakten oder mögliche Entschädigungen. Zum anderen die Vorantreibung der öffentlichen Aufklärung zur Stasi-Vergangenheit. Da habe Brandenburg noch einigen Handlungsbedarf, versichert CDU-Generalsekretär Dombrowski. Sein SPD-Pendant winkt derweil ab: Brandenburg habe sich nichts vorzuwerfen. "Wir arbeiten genauso kritisch unsere Geschichte auf, wie andere Bundesländer auch."
Doch die Stasi-Vergangenheit hält die Mark immer noch im Bann. Die Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde Frankfurt (Oder) registrierte für 2008 die höchste Zahl an Anträgen auf Akteneinsicht der vergangenen zehn Jahre. Erst kürzlich mussten sich zudem die Bürgermeister von Welzow und Friesack Abwahlverfahren aufgrund ihrer Stasi-Vergangenheit stellen. Und als Spitzenkandidatin der Linken zur Landtagswahl im September tritt Kerstin Kaiser an - früher als "IM Kathrin" aktiv.
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