piwik no script img

Box-Star will Bürgermeister werdenVitali Klitschko steigt in den Ring

Der ehemalige Box-Champion versucht zum zweiten Mal Oberbürgermeister von Kiew zu werden. Doch die Wähler sehen in ihm vor allem den Sportler.

Klitschko, hier mit seinem Berater Rudolph Giuliani. Bild: ap

KIEW taz Vitali Klitschko macht fleißig Klimmzüge auf einem Kinderspielplatz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Der Platz wird heute feierlich eröffnet, alle Geräte sind nagelneu und leuchten in bunten Farben. Die Kleidung von Vitali passt farblich zu der Umgebung, blaue Jeans und ein weißes T-Shirt, auf dem ein Baum und der Slogan "Wir lieben die Natur" abgebildet sind. Das Auge freut sich, die Menschen auch. Kinder und Erwachsene umringen den ehemaligen Box-Champion und wollen seine Hand schütteln. Viele versuchen, ein Autogramm zu bekommen. Der 36-jährige ist in Kiew nach wie vor der große Star.

Ein paar Stunden später probiert sich Klitschko auf einem Schulhof beim Tauziehen aus. Fernsehkameras laufen, Schaulustige machen Schnappschüsse. Vitali konzentriert sich ganz auf den Wettkampf, von seinem Gesicht ist deutlich die Anspannung abzulesen. Doch anders als bei seinen großen Boxkämpfen lächelt er ständig.

Es ist Wahlkampf in Kiew. Das ukrainische Parlament hat Neuwahlen für den Posten des Oberbürgermeisters angesetzt, nachdem schwere Korruptionsvorwürfe gegen den Amtsinhaber Leonid Tschernowetzki bekannt geworden waren. Dennoch hat Tschernowetzki gute Chancen auf Wiederwahl. Umfragen zufolge liegt er bei rund 30 Prozent der Stimmen und damit fünf bis acht Prozent vor seinem Konkurrenten Klitschko. Besonders bei älteren Menschen ist Tschernowetzki beliebt. Seit Jahren verteilt der exzentrische Gründer der Prawex-Bank, die er zu einem kleinen Wirtschaftsimperium ausbaute, großzügig Hilfsleistungen in form von Lebensmitteln und kleinen Geldsummen an Rentner. Seine Gegner werfen ihm den Kauf von Wählerstimmen und Günstlingswirtschaft im alten Stil vor.

Klitschko hingegen wirbt für einen Neuanfang. Er präsentiert sich weltoffen, modern und westlich orientiert. "Kiew braucht einen starken Oberbürgermeister", lautet die Hauptbotschaft seiner Kampagne, die darauf abzielt, weniger die Muskelkraft als vielmehr die intellektuellen Fähigkeiten Klitschkos hervorzuheben. Diese Botschaft scheint bei den Wählern jedoch nicht richtig anzukommen. Viele sehen in ihm immer noch den Sportler, aber keinen Politiker. Seit 2006 mischt Klitschko in der Politik mit, konnte sich bisher jedoch nicht richtig profilieren. Vor zwei Jahren unterlag er als Hoffnungsträger und Überraschungskandidat im Kampf um die ukrainische Hauptstadt ausgerechnet Tschernowetzki. Auch im diesjährigen Wahlkampf unterscheidet sich Klitschkos Wahlprogramm kaum von den Programmen anderer Kandidaten. Alle versprechen soziale Gerechtigkeit, billige Wohnungen, neue U-Bahn-Stationen und bessere medizinische Versorgung.

Doch die Wähler glauben nicht mehr an einen Neuanfang und die zahlreichenVersprechungen. "Es ist egal, wen du wählst, es wird alles beim alten bleiben, die Korruption, die Klüngeleien", sagt der junge, sichtlich frustrierte Kyrill. "Ich werde wahrscheinlich gar nicht zur Wahl gehen." Auch Anna ist unzufrieden. "Die Politiker fechten doch nur Machtkämpfe miteinander aus, die Probleme der einfachen Menschen interessieren sie gar nicht", sagt die Studentin am Rande einer Wahlveranstaltung. Sie will zwar Klitschko wählen, doch glaubt weder an seinen Sieg noch daran, dass er etwas ändern kann.

Klitschko will zeigen, dass die Korruption erfolgreich bekämpft werden kann. Dafür hat er sogar den New Yorker EX-Oberbürgermeister Rudolph Giuliani als Berater angeheuert. Auch sonst hat der Champion alle seinen kämpferischen Qualitäten mobilisiert. Beim Boxen hat er noch nie zweimal gegen denselben Gegner verloren. Doch Politik ist kein Sport.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • J
    Jewgenij

    Er (Klitschko) hat im Jahr 2006 eine Niederlage eingesteckt.

    Jetzt tritt er am Sonntag wieder "in den Ring" und wieder heißt sein Gegner Tschernowitzki und wieder -wie Sie richtig schreiben- hat sich sein Programm nicht verändert. Kiew fährt bei der Wohnungsfrage auf der Schiene der Zeit mit, in Moskau kosten die Wohnung nicht weniger. Das mit den U-Bahn Station ist sehr gut geregelt. Kiewer Metro zählt zu den besten der Welt.

    Auch wenn Tschernowitzki "Wsatki" (Korruption) mit verantwortet, ist der für mich (als Kiewer Urgestein) der Richtige Bürgermeister der Metropole Kiew.