■ Bossis Padanien-Flop nutzt der italienischen Rechten: Die Dummheit der Linken
Nichts da mit klammheimlicher oder offener Freude über die geradezu spektakuläre Absage des „Volks der Poebene“ an die Proklamation der Sezession durch die Liga Nord. So sehr man erleichtert sein mag, daß eine gewalttätige Eskalation ausblieb und zudem fürs erste eine „Jugoslawisierung“ Italiens in weite Ferne gerückt ist, so besorgt sollten alle, die italienischen Politiker wie Europa, über die neue Konstellation sein. Bannerträger der Bossi-Überwinder ist nämlich nicht die Regierung und auch nicht Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro – sondern die rechte Nationale Allianz. Zu ihrer frischfröhlich und ohne große Vorbereitung in Mailand organisierten Demonstration kamen mindestens 150.000 – und damit weit mehr als Bossi in Venedig mobilisieren konnte. Und in allen TV-Kanälen konnte man ihr Kleinflugzeug sehen, das mit der Schleppe „Evvia l'Italia“ über allen Bossi-Kundgebungen kreiste. So haben sich die Rechtsextremen faktisch als „die“ Hüter der nationalen Einheit profiliert. Und diese Einheit wollen offenbar 90 Prozent aller Italiener.
Erstmals seit der Wahlniederlage vom März 1996 sind die Rechtsextremisten wieder da. Und wie! Für die Regierung und vor allem deren größte Koalitionspartei PDS brechen damit schwierige Zeiten an, und dies just vor der anstehenden Verabschiedung des Haushalts. Der Triumph der Nationalen Allianz macht deren Chef Gianfranco Fini – der monatelang total von den Bildschirmen verschwunden war – wieder zum Oppositionsführer. Bisher hatte allein die Liga Nord der Regierung wirksam Paroli geboten. Damit sind die Versuche von Ministerpräsident Prodi, die immer moderatere Forza Italia zumindest partiell für Abstimmungen zu gewinnen, bei denen sein externer Partner Rifondazione comunista blockiert, auf absehbare Zeit hinfällig.
Daß sich die Regierungskoalition nicht einmal zu einer einzigen Gegendemonstration aufschwingen konnte und sich PDS-Chef Massimo D'Elema arrogant zu einem USA-Trip aufmachte, zeigt ein ungewöhnliches Maß an Dilettantismus und Dummheit. Diese Untätigkeit als Taktik des „Niedrigerhängens“ auszugeben, mußte in Italien schon allein daran scheitern, weil hier gegen jeden Schreier ein Gegenschreier auftritt. Verliert der erste, ist der zweite der Star. Daß die Linke auf staatmännisches Abwarten setzte, war in dieser Lage das Einfältigste, was sie tun konnte. Werner Raith
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen