: Bosnische Serben vor Großoffensive
■ Generalmobilmachung für alle wehrfähigen Männer und Frauen / Schirinowski solidarisiert sich bei einem Besuch in Bosnien mit den Serben: Wer Serbien angreift, greift Rußland an
Belgrad/Sarajevo (AP) – Die bosnischen Serben bereiten offenbar eine Großoffensive vor. Das Oberkommando rief am Montag laut der Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug eine Generalmobilmachung aus, die alle wehrfähigen Männer und Frauen zum Front- und Arbeitsdienst verpflichtet. Der russische Rechtsextremist Wladimir Schirinowski erklärte im von Serben besetzten Teil Bosniens, Angriffe auf Serbien würden als Angriffe auf Rußland bewertet.
Schirinowski hatte nach einem Tanjug-Bericht am Sonntag abend in Serbien erklärt, Angriffe der Nato auf Stellungen der bosnischen Serben würden als Kriegserklärung gegen Rußland bewertet. In der Grenzstadt Bjeljina auf bosnischer Seite verschob er in einer Ansprache vor einer mehrheitlich uniformierten Menge den Akzent. Er fügte hinzu: „Wenn jemand eingreift, werden wir [Russen] die Attacke unverzüglich zurückschlagen.“ Schirinowski war nach seiner Ausweisung aus Slowenien am Sonntag als Gast der Partei des bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić in Serbien eingetroffen. Er will sich am Mittwoch in Belgrad einfinden.
Die Generalmobilmachung der bosnischen Serben erfolgte nach den jüngsten Mißerfolgen bei der Genfer Friedenskonferenz, bei denen weder Serben noch Kroaten die Moslems von der Annahme eines Friedensplans überzeugen konnten, der die Dreiteilung Bosniens nach den Vorstellungen in Belgrad und Zagreb vorsieht. In der Erklärung des Oberkommandos unter Führung von General Ratko Mladic heißt es, am Sonntag abend sei eine Reihe von Entscheidungen gefallen, „deren Ziel die Mobilisierung aller Kräfte zur erfolgreichen Beendigung des Krieges“ sei.
Dazu gehört den Angaben zufolge die „rigorose Ausschöpfung aller Rechtsmittel gegen Deserteure und andere Personen, die sich ihrer militärischen Verpflichtung“ entzogen hätten. Außerdem solle „die gesamte waffenfähige Bevölkerung“ mobilisiert und entweder in Kampf- oder Arbeitseinheiten organisiert werden. Dies gelte auch für Frauen, die in Sondereinheiten zusammengefaßt werden sollten. In den serbischen Kampftruppen dienen bereits Frauen, allerdings handelt es sich dabei offenbar um Freiwillige. Die Mitteilung läßt offen, ob kriegsdienstverpflichtete Frauen auch in Kampfeinheiten eingesetzt werden sollen.
„Mit Befriedigung“ hat die französische Regierung auf die bedingte Zustimmung von UNO-Generalsekretär Butros Ghali zu Luftangriffen zur Unterstützung der UN-Schutztruppen in Bosnien reagiert.
Das Außenministerium in Paris erklärte am Montag, diese Pläne entsprächen den Wünschen Frankreichs. Die Unprofor erhalte damit Aufgaben, die Frankreich befürworte, „mit den von uns für notwendig gehaltenen Mitteln“, erklärte eine Sprecherin des Ministeriums. Der Bericht des UNO-Generalsekretärs sehe ausdrücklich die Möglichkeit einer Unterstützung der Bodentruppen aus der Luft vor. Bereits am Sonntag hatten die bosnischen Serben erklärt, sie würden eine Wiedereröffnung des Flughafens von Tuzla notfalls mit Gewalt verhindern. Für diesen Fall hatte Ghali Luftangriffe in Aussicht gestellt.
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