■ Bosnische Serben verschleppen elf Bürger Sarajevos: Die Fehler der UNO wiederholen?
Soll die ganze Scheiße von vorne anfangen? Die neue internationale Friedenstruppe Ifor gerät in Bosnien in Gefahr, die Fehler der UNO zu wiederholen. Da zerren bosnisch-serbische Soldaten bosnische Zivilisten aus Sarajevo aus dem Auto und lassen sie verschwinden. Seit dem 27. Dezember gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihnen. Und die Ifor-Offiziellen sind „tief besorgt“ – mehr aber auch nicht. Dabei haben diese Bürger Bosnien-Herzegowinas nur das ihnen durch den Vertrag von Dayton zugestandene Recht wahrgenommen, durch die serbisch besetzte Zone um Sarajevo zu fahren. Freie Fahrt durch diese Zone sollte durch die Nato beziehungsweise Ifor- Truppen garantiert werden. „Die Zufahrtswege nach Sarajevo sind frei“, hieß es in Dayton. Die elf Verschwundenen können das wohl nicht bestätigen.
Schon kurz nach den Verhandlungen in Dayton war zu beobachten, daß die anfänglich harte Haltung der internationalen Gemeinschaft aufgeweicht worden ist. War es noch Anfang Dezember den serbischen Militärs nicht erlaubt, die damals noch unter UNO-Flagge fahrenden Konvois aufzuhalten und zu kontrollieren, sah das schon nach wenigen Tagen anders aus. Am 14. Dezember übernahmen französische Truppen die Kontrolle der Zufahrtswege – da ist dieser Wandel nicht einmal als zufällig zu betrachten. Obwohl die beiden abgeschossenen französischen Piloten gefoltert wurden und General Mladić sowie Karadžić dafür verantwortlich sind, zeigt sich gerade die Pariser Regierung konzessionsbereit gegenüber den serbischen Nationalisten.
Und wenn nun selbst der amerikanische General Smith Fristverlängerungen zur Umsetzung des Vertrages um Sarajevo nicht mehr ausschließen will, gerät die gesamte Nato-Aktion in Gefahr. Auf die Konfliktscheu und Konzessionsbereitschaft der UNO hatte Karadžić seine Politik seit jeher aufgebaut. Die Drohung der serbischen Nationalisten, die serbische Bevölkerung um Sarajevo würde ausziehen, wenn sie sich unter die Hoheit der bosnischen Regierung stellen müßte, ist eine der großen Manipulationen in diesem Konflikt. Aber das haben die neuen Oberkommandierenden offenbar nicht begriffen. Nur über den Exodus kann das Karadžić-Regime seine bröckelnde Herrschaft festigen. Statt selbst Druck auszuüben, scheinen die Ifor-Kommandeure wie einstmals die UNO dem Druck zu weichen. Noch besteht die Chance, Klarheit zu schaffen. Die elf Verschwundenen müssen sofort freigelassen werden. Erich Rathfelder
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