■ Bosniens Premierminister Haris Silajdžić: Den Krieg „bosnisieren“
Die Kontaktgruppe sollte den Serben noch drei Monate geben, um den Friedensplan für Bosnien zu unterzeichnen. Wenn das die serbische Regierung nicht tut, dann muß das Waffenembargo gegen Bosnien aufgehoben werden. Drei Jahre schon hat sich unsere Regierung an jedem wie auch immer gearteten Verhandlungsforum beteiligt und jeden internationalen „Friedensplan“ unterzeichnet. Im letzten Juli akzeptierten wir den Plan der Kontaktgruppe, nachdem man uns versichert hatte, daß die Serben, falls sie dies zurückwiesen, mit verschärften Sanktionen zu rechnen hätten. Zudem wollte man mehr Schutz für die Städte in den UN-Sicherheitszonen anbieten und schließlich das Waffenembargo aufheben.
Doch die Kontaktgruppe verschärfte die Sanktionen nicht nur nicht, sondern lockerte sie sogar. Statt den Schutz innerhalb der Sicherheitszonen zu erhöhen, ließ die Kontaktgruppe die Stadt Bihać fallen. Statt das Waffenembargo aufzuheben, haben sich Frankreich und England öffentlich im UN-Sicherheitsrat und im US-Kongreß dagegen ausgesprochen.
Jedesmal haben wir uns den internationalen Forderungen gebeugt, waren zu Konzessionen bereit, nur um dann zu sehen, wie diese von den Emissären und von den Serben kassiert wurden. Wenn dieses Muster weitergeht, verlieren wir langsam, aber sicher unsere Souveränität, unsere Unabhängigkeit und unsere territoriale Integrität. Und wofür? Wir sahen zu, wie die westlichen Mächte Teilungsplan auf Teilungsplan vorlegten, bis hin zur derzeitigen Version. Wir haben zugesehen, wie unsere Städte von Serben angegriffen wurden und die Nato hilflos dastand. Wir mußten erleben, wie UNO-Kommandeure ihr Mandat umdefinierten in „Mittler zwischen den Parteien“ und „Peace-keeping“, wo es keinen Frieden gibt. Wir hörten all den Versprechen westlicher Politiker zu, nur um dann zu sehen, wie alles um der sinnlosen „Einigkeit der Alliierten“ willen zerstob.
Diesen Krieg gibt es nun schon im dritten Winter. Der Kontaktgruppe bleiben zwei Möglichkeiten. Einmal, so weiterzumachen wie bisher und den Krieg damit zu verlängern. Oder man stellt den Serbien endlich ein wirkliches Ultimatum: Akzeptiert den Plan, oder das Waffenembargo wird aufgehoben. Frist sollte der 1. Mai sein, weil die Serben Frühjahrsoffensiven vorbereiten. Der Plan, dem von unserem Parlament zugestimmt wurde, sollte vom UN-Sicherheitsrat abgesegnet werden, er sollte irreversibel gemacht werden. Dies könnte moderate Serben ermutigen, ihm zuzustimmen. Zusätzlich sollte Belgrad Bosnien in den jetzigen Grenzen anerkennen – ein Zeichen der Ernsthaftigkeit im Friedensprozeß. Aber nach Jahren gescheiterter Verhandlungen und nicht honorierter Kompromisse muß die Kontaktgruppe das Waffenembargo aufheben, sollten die Serbien wieder nicht kooperationsbereit sein.
Kritiker sagen, dies würde den Krieg „amerikanisieren“. In Wirklichkeit würde die Aufhebung des Embargos ihn aber „bosnisieren“, weil wir uns selbst verteidigen könnten. In den letzten drei Jahren jedenfalls war der Krieg „serbisiert“. Verteidiger des Embargos behaupten, seine Aufhebung würde zu einem Zusammenbruch der UNO-Mission in Bosnien führen. Aber viele Länder wollen Truppen schicken, um die Europäer zu ersetzen. Wenn also Engländer und Franzosen gehen wollen, ist es ihre Entscheidung, nicht unsere. So wie wir im Sinne der Bewaffnung und Verteidigung unseres Landes eine Entscheidung treffen. Es waren unsere Armee und die Stärke unserer Bevölkerung, was uns bisher davor schützte, völlig überrannt zu werden.
Wir hoffen also auf Unterstützung der Kontaktgruppe. Es ist Zeit zum Handeln. Vorbei die Zeit der vergeblichen Gespräche und zerronnenen Termine. Haris Silajdžić
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen