Bosnien und Herzegowina: Gesamtstaat steht auf dem Spiel
Serbische und kroatische Nationalisten wollen gemeinsame Institutionen Bosnien Herzegowinas auflösen. Erstmals ist von einer Auflösung des Staates die Rede.
SARAJEVO taz | Das Treffen der Repräsentanten der sechs wichtigsten Parteien aus Bosnien und Herzegowina am Comer See in Italien am Sonntag sollte dazu beitragen, mehr als ein Jahr nach den Wahlen eine neue Regierung zu bilden. Zudem sollte über eine Verfassungsreform gesprochen werden.
Doch es kam anders. Der Ministerpräsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, sprach erstmals offen von der Auflösung des multinationalen Staates. Unterstützt wurde er vom Chef der stärksten kroatischen Nationalistenpartei HDZ, Dragan Covic. Damit steht jetzt die Existenz des Staates Bosnien und Herzegowina auf dem Spiel. Die Äußerungen lösten scharfe Reaktionen durch die Wahlgewinnerin, die nichtnationalistische Partei SDP, und die bosniakischen Parteien aus.
Eingeladen zu dem Treffen nach Cadenabbia hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung. Deren Leiterin in Sarajevo, Sabina Wölkner, versucht seit Jahren, die Verfassungsdebatte in dem durch den Krieg (1992-95) zerrütteten Land voranzubringen. Denn die jetzige Verfassung, die auf dem Friedensvertrag von Dayton 1995 fußt, ist keine Grundlage für den Integrationsprozess in die EU.
Im Rahmen der Verfassung sind wegen der Blockademöglichkeiten durch alle Seiten von der EU geforderte Reformen nicht durchsetzbar. Sie verstößt nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Straßburg sogar gegen die Menschenrechte.
Doch statt sich auf Sachthemen zu konzentrieren, versuchte Milorad Dodik die anderen Parteiführer davon zu überzeugen, konstitutionelle Mechanismen für die Auflösung des Staates Bosnien und Herzegowina zu finden. Er forderte erneut den Rückzug des "Büros des Hohen Repräsentanten" (OHR) aus dem Land. Der Hohe Repräsentant hat die Aufgabe, als Vertretung der internationalen Gemeinschaft den Friedensprozess zu überwachen. Dodik zielte mit dieser Forderung auf die Auflösung aller gesamtstaatlichen Institutionen.
Das würde die endgültige Dreiteilung des Landes in ethnisch dominierte Landesteile bedeuten und böte serbischen und kroatischen Nationalisten die Möglichkeit, diese Landesteile mit den jeweiligen Mutterländern zu vereinigen. Internationale Thinktanks wie das Center for Strategic and International Studies (CSIS) warnen bereits vor erhöhten Spannungen. Sie empfehlen eine konsequente Stärkung des Gesamtstaates.
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