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Bosnien-HerzegowinaSarajevo spricht wieder über Krieg

Die EU-Visapolitik und Pläne, internationale Institutionen aufzulösen sowie die Eufor-Truppen abzuziehen, verunsichern die bosniakische Bevölkerungsgruppe.

Milorad Dodik möchte die serbische Teilrepublik vom Gesamtstaat abkoppeln. Bild: reuters

SARAJEVO taz | Fast alle Gespräche mit den unterschiedlichsten Menschen in Sarajevo enden in diesen Tagen mit dem Hinweis, es könnte einen neuen Krieg in Bosnien und Herzegowina geben. Zwar versuchte der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Valentin Inzko, diese Warnungen als wirklichkeitsfern abzutun. Doch allein schon der Vorgang, dass er am letzten Freitag auf diese Befürchtungen eingehen musste, zeigt die Stimmung im Land.

Hintergrund für diese Befürchtungen ist die tiefe Verunsicherung vor allem der bosniakischen Bevölkerung durch die Politik des Ministerpräsidenten der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, und durch die Politik der Europäischen Gemeinschaft. Die Diskussion innerhalb der EU, das Büro des Hohen Repräsentanten noch in diesem Jahr aufzulösen und die Eufor-Truppen aus Bosnien und Herzegowina abzuziehen, hat zu dieser Stimmung wesentlich beigetragen.

Hinzu kam die von der EU-Kommission vorgeschlagene Visaregelung für die Länder des westlichen Balkans, die Visaerleichterungen für Serbien, Montenegro und Makedonien vorsah, nicht jedoch für Bosnien, Albanien und Kosovo.

Dodik hat in den letzten Monaten nichts unversucht gelassen, die serbische Teilrepublik vom gemeinsamen Gesamtstaat abzukoppeln. Deshalb ließ er letzte Woche im Parlament der Teilrepublik eine Reihe der seit dem Friedensvertrag von Dayton 1995 von den Hohen Repräsentanten erlassenen gesamtstaatlichen Gesetze annullieren.

Er will jetzt das gemeinsame Energieversorgungssystem entflechten und wehrt sich energisch gegen internationale Richter im Gerichtswesen des Gesamtstaates, so weit sie für Korruptionsfälle - und damit in bezug auf ihn selbst - zuständig sind. Gemeinsam mit Belgrads Aussenminister Vuk Jeremic forderte er am Wochenende erneut, das Büro des Hohen Repräsentanten in Bosnien aufzulösen und die Eufor-Truppen zurückzuziehen.

Genau wegen dieser Forderung ist die nichtserbische Bevölkerungsmehrheit der Bosniaken und Kroaten im Vielvölkerstaat über die Pläne Brüssels entsetzt. Diese Pläne werden vor allem in Sarajevo als direkte Unterstützung der serbischen Position gewertet. Sie könnten nicht kalkulierbare Zusammenstöße zwischen den Volksgruppen auslösen, befürchten auch Militärs der Nato in der Region.

Immerhin hat sich in den letzten Tagen ein Umschwung bei der Visaregelgung ergeben. Die EU-Kommission musste zur Kenntnis nehmen, dass sich erheblicher Widerstand im Europaparlament gebildet hat. Denn die geplante Visagregelung hätte zur Folge, dass vor allem die bosniakische Volksgruppe vom freien Reiseverkehr ausgeschlossen wäre.

Einem Protestbrief aus Berlin, in dem befürchtet wird, die Visaregelung trüge zur Destabilisierung Bosniens bei, schlossen sich über 2000 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens an. Angeführt von den ehemaligen Hohen Repräsentanten Paddy Ashdown, Wolfgang Petritsch und Christian Schwarz-Schilling wurde die Initiative balkangoeseurope.eu auch von den Fraktionen der Grünen und der Konservativen im Europaparlament unterstützt.

Beigetragen zum Sinneswandel hat zudem, dass der bosnische Ministerrat mit den Stimmen der serbischen Vertreter vier für die Visaregelung wichtige Gesetze erlassen und gleichzeitig die Einführung biometischer Pässe für Mitte Oktober angekündigt hat. Die letztendliche Entscheidung über die Visaregelung will Brüssel im November fällen. In Hintergrundgesprächen erklärten Nato-Militärs in Sarajevo gegenüber der taz, im November werde "angesichts des Konfliktpotentials" wahrscheinlich auch das Mandat der Eufor in Bosnien verlängert.

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11 Kommentare

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  • H
    horace78

    Hallo an alle.

     

    Ist ja schön das ihr euch alle so viele gedanken über die Zukunft von Bosnien und Herzegovina macht. Find ich klasse. Leider hat dieses Land keine Zukunft. So wie Husein es beschriben hat ist es halt so das die gesamte Politik einfach zu korrupt ist. Das war schon immer so und wird sich nicht so schnell ändern. Der wirtschafliche Faktor spielt mit sicherheit eine große rolle bei dem Thema wie es denn nun mit dem Land weiter geht aber durch den Krig ist leider sehr viel hass in der Bevölkerung entstanden das es trotzdem keine gemeinsame Zukunft geben kann.

     

    Eine gerechte gebietsmäßige Aufteilung der drei ehtnischen Gruppen ist einfach unmöglich und deshalb wird es stellenweise immer konflikte geben zwischen der Bevölkerung. Bezweifle es aber das diese mit Waffengewalt durchgeführt werden da die Leute da unten auf einene weiteren Bürgerkrieg keine Lust haben.

     

    Wie es denn nun weiter gehten wird das hängt davon ab was die Weltpolitik für Pläne mit Bosnien und Herzegovina hat.

     

    Kurzer kommentar noch zu Thomas. Du machst dir gedanken, das ist gut. Hast aber leider nicht genug Hintergrundwissen.

     

    - Kroatien sieht von aussen wie ein aufblühendes Land aus. Die sind auch auf einem guten Weg. Der Bevölkerung geht es aber nicht unbedingt besser dadurch.

     

    - Zum Thema Bosnien kann ich nur eins sagen. Ich bin Bosnier (Bosanac) mit orthodoxem Glauben. In Serbien hab ich somit nichts verloren. Mehr brauch ich wohl nicht sagen. :)

     

    Gruß an alle

  • A
    Antifaschist

    Huseine, Du hast recht! Aber Ihr selbst, das Volk, müsst es in die Hand nehmen! Vor einiger Zeit habe ich genau so mit einem bosniachen Serben gesprochen , dem ersten überhaupt der sagte, "meine bosiaksichen Frweunde, was hättet ihr denn gerne? ...Jedenfalls werde ich meinen Kindern beibringen, niemenden aufgrund seines Glaubens oder seines ethnischen Hintergrunds zu hassen." Und ich sagte ihm ebenfalls, auf die korrupten Politiker kann man sich nicht verlassen un dihr müsst die Dinge selbst in die Hand nehmen.

    Alle die da sagen, man muss Bosnian aufteilen und dass die Bosniaken alle Islamisten und Jihadisten sind, und dasmit den Völkermord an ihnen zu rechtfertigen suchen, sollte man nicht ernt nehmen, besonders wenn sie aus dem Ausland oder der serbischen Diaspora kommen. Außer dass sie wieder zum Völkermord aufrufen. Von meinem letzten Bescuh dort hatte ich alledings nicht den Eindruck, dass die Leute darauf aus sind, wieder Krieg zu führen; dennoch, meine bosniaksischen Brüder und Schwestern, seid wachsam.

    Möge der Allbarmherzige es für Bosnian-Herzegovina so kommen lassen wie Du sagst, Huseine; aber bitte, erwartet nicht von Ihm , dass Er die taktischen Details für euch ausfüllt. Das ist Euer Job.

  • HM
    Hannes Mannberger

    Liebe Freunde zwischen Kroatien und Belgrad: als Österreicher, der Bosnien-Herzegowina seit Jahren sehr gut kennt und ins Herz geschlossen hat (und täglich alle politischen Reaktionen verfolgt und kritisiert) gebe ich Euch den guten Rat: beerdigt endlich Eure saudummen nationalistischen Betrachtungsweisen und pflegt endlich das Gemeinsame, so wie in der EU die Franzosen, Deutschen oder Italiener sich nicht so grauslich mit Worten bekriegen, wie Serben oder Moslems es hier in Bosnien praktizieren - schämt Euch, den letzten grässlichen Kriege nicht vergessen zu haben! "Husein", ein Moslem, der am 6.Oktober gepostet hat, trifft den Nagel auf den Kopf , zum nachlesen empfohlen. Also nur Vernunft auf allen Ebenen führt zum gemeinsamen Ziel - wie in jeder Partnerschaft...

  • B
    Balkanese

    leute leute ihr deutschen mischt euch in Politik andere länder ein von denen ihr garnichts wisst. Es wir nie ein gemeinsames BIH geben da sich die Kroaten und auch die Serben nicht auf eigenem Grund und Boden, der schon vor Urzeiten deren Land gewesen ist, von Islamistischen Terroristen herumkomandieren. Ich glaube das muss doch wohl jedem klar sein oder. Der Islamismus wird nicht in die RS einkehren das ist sicher.

  • H
    Husein

    also ich komme aus Bosnien und bin moslem.Das größte problem sehe ich in der politik die sehr korrupt ist auf allen seiten und das sie ihre wähler durch nationalistischen sprüchen aufheizt.diese sollten sich nicht über die auflösung der republika srpska oder der abspaltung der RS kümmern.viel wichtiger wäre es arbeitsplätze zuschafen und die wirtschaftliche entwicklung zufördern.den bei jeder eskalation betrifftes immer die armen und nicht den politiker.gerade bei der stromversorgung war das ein problem,die hauptgesellschaft gehört zu 52%der föderation und 48% der RS diese hatte eigentlich 150Mil. auf ihrem konto durch dieses gesetz vom obersten presi. Incko möchte dieser wahrscheinlich wissen wo das Geld ist was von der EU zur investition bereitgesttelt war.die gesellschaft hat aber ihren hauptsitz in RS Banja luka und das geld ist wahrscheinlich in andere konten geflossen..das ist eine reihe von dingen die in bosnien Herceg. passieren..Was aber fehlt ist die absolute durch schlagskraft von incko er müsste jede person die korrupt ist vor gericht stellen dann würde es auch nicht so viele probleme geben,Bosniaken serben und kroaten in bosnien wären mit dem staat immer zufrieden wenn es auch ihnen wirtschaftlich gut geht.ich sehe bosnien in 10 jahren als vereinigten staat wenn nicht bin ich 100% überzeugt das es wirtschaftlich viel besser geht und es keine nationalistisch wahlkämpfe mehr gibt....

  • S
    Sebastian

    naja...@thomas

     

    mich wundert es richtig das Sie schrieben, das bosnien "wieder" bosnien herzegowina sein. wann war es denn jemals so?

    ausserdem, so gut ich die serben kenne, war ein "gross-serbien" nie geplant, sondern die territorien die überwiegend von serben bevölkert sind und waren (also auch in kroatien wo tausende und abertausende umgebracht oder vertrieben wurden) in einem staate zu einen, wenn die anderen schon nicht mehr als jugoslawien mehr "mitspielen" wollten. und ich kann mir nicht vorstellen das die serbische teilrepublik sich serbien anschliessen würde, da sie, wirtschaftlich gesehen, besser da stehen als die republik serbien, umgekehrt sieht man es genauso, das es ok wäre, wenn die RS sich für unabhängig erklären würde und es auch bleibt.

     

    ich schliesse mich der meinung HD Genschers an und sage: man hat die balkanisierung doch nonstop praktiziert, wieso sollten ausgerechnet immer die serben im nachteil sein?!

     

    mit freundlichen grüßen

  • HG
    HD Genscher

    @Thomas.

    Sie scheinen nur oberflächlich was über Bosnien zu wissen. Mit ihrer Argumantation dürften die Bosniaken wohl Tickets in die Türkei lösen, weil die Serben und Kroaten lange vor der Islamisierung dort gelebt haben. Ebenfalls dürfte sich Milosevics Albaner-Track aus dem Kosovo wieder nach Albanien bewegen. Schlimm genug dass man Kroatien bei der ethnischen Säuberung behilflich war, was man den Serben immer wieder vorwarf. Wenn die Leute nicht zusammen leben wollen, sollen sie sich doch trennen. Hat man in ganz Jugoslawien schon so praktiziert, warum sollte es jetzt anders sein?

  • A
    Antifaschist

    Finde ich auch Thomas. Viel besser wäre es, dass die "RS" der Föderation beitritt. Und im übrigen gibt es in der Föderation einige Gebiete die auch heute wieder überwiegend von Serben bewohnt sind: Drvar und Glamoc; und umgekehrt sind in der RS die Ortschaften Kozarac und Janja heute wieder mehrheitlich bosniakisch (woanders war aber eine Rückkehr der Vertriebenen bis auf den heutigen Tag nicht möglich).

    An den Bosniaken ist ein furchtbares Unrecht begangen worden, und mit dem mehr als dubiosen Vorgehen des Haager Tribunals und dem unpraktikablem Abkommen von Dayton wird dieses Unrecht immer weiter fortgesetzt. Die "Internationale Gemeinsdhaft" könnte einiges wiedergutmachen, wenn sie einer Wiedervereinigung Bosnien-Herzegovinas nicht weiter Steine in den Weg legen würde.

  • R
    Reizinger

    @Thomas: Unwissenheit ist bei Ihnen wohl doch Wissen?

     

    Die meisten Serben die in Bosnien leben haben dort gelebt als als Bosnien noch noch nicht islamisiert wurde also noch vor dem osmanischen Reich. Bevor sie solche Aussagen tätigen mit "die sollen nach Serbien gehen" sollten Sie sich informieren, dass jeder der in Bosnien lebt auch Recht hat dort zu leben und nicht irgendwo vertrieben wird nur weil das Land in dem er lebt von der Welt als islamisch angesehen ist. Die Serben und Kroatien in Bosnien sind nicht seit gestern dort sondern leben seit vielen Jahrhunderten dort!

     

    Ein Bosnien kann es in dieser Konstellation nicht geben wie es jetzt ist. Es ist eine Gebilde was nicht überlebensfähig ist und die Einwohner haben nicht die Lust zusammen zu leben da es kein Gemeinsamkeitsgefühl gibt. Und stellen Sie sich mal vor was Sie mit Ihrer ich muss sagen DUMMEN Aussage machen würden. Also sie würden die Hälfte der Bosnischen Bevölkerung (Serben und Kroaten) nach Serbien und Kroatien vertreiben damit die Bosniaken ihren eigenen STaat haben. Überlegen sie mal wer dann den Genozid verübt.....

  • HN
    Herr Neno

    Und die "taz" schreibt wieder über Krieg.

     

    In keinem Staat Ex-Jugoslawiens wird der alten Heimat so nachgeweint (zu recht) wie in Bosnien.

     

    Wäre bei der nächsten Wahl "Tito" auf dem Stimmzettel; Bosniaken, Serben und Kroaten würden ihm gemeinsam 90% geben.

     

    Darüber könnte man auch mal schreiben.

  • T
    Thomas

    Ich bin der Meinung die Teilrepublik sollte aufgelöst werden aber nicht zu Gunsten der dort lebenden Serben, da diese die Gelegenheit nutzen würden um sich an Serbien anzuschließen. Somit hätten sie ihr blutiges Ziel ereicht (ein großes Serbien).

    Bosnien muss wieder nur Bosnien und Herzegowina werden. Es muss einen Präsidenten geben und nur eine Regierung, welche aus der Hauptstadt gesteuert wird. Der Serbe der meint er will kein Bosnien kann ja nach Serbien ziehen. Nicht böse gemeint, aber wenn ich in Bosnien lebe muss ich mich auch anpassen und nicht mein Ding durchziehen. Das andere Problem ist das sehr viele Serben aus Kroatien vertrieben wurden und jetzt in Bosnien ihre Heimat gefunden haben. Somit haben jetzt einige Städte in Bosnien eine Überzahl an Serben, welches dem Herrn Dodik die Möglichkeit gibt die Mehrheit auf seiner Seite zu haben. Schön wäre es wenn die Einwohner Bosniens endlich ihren Frieden bekommen. Denn dies würde zu einem schon lange fälligen Wirtschaftsaufschwung führen. Siehe Kroatien, welches sich nach dem Bürgerkrieg gut erholt hat hat und noch immer Stark im Wachstum ist.