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Boris Palmer besucht CDU in SteglitzGrün lobt Schwarz

Boris Palmer, Tübingens grüner OB, besucht die CDU im Berliner Südwesten - und wirbt für pragmatische Zusammenarbeit.

Grün das Hemd, schwarz der dreiteilige Anzug. Boris Palmer (37) geht auf Nummer sicher: Selbst wer seine Worte nicht hören mag, muss zwangsläufig sehen, wo der grüne Oberbürgermeister von Tübingen die Zukunft seiner Partei verortet. Wer nicht nur guckt, sondern auch hört, vernimmt an diesem Montagabend im alten Saal der Bezirksverordnetenversammlung in Steglitz, dass "der ökologische Umbruch in der Wirtschaft leichter mit der CDU zu erreichen ist". Das Timing ist perfekt: Zwei Tage zuvor hat eine heftige Debatte um Schwarz-Grün und Jamaika den Landesparteitag der Berliner Grünen aufgemischt.

Dort reichte es schon, ein schwarz-gelb-grünes Bündnis nicht ausdrücklich auszuschließen, um führende Kreuzberger Parteimitglieder gegen sich aufzubringen. Warme Worte für die CDU wie von Palmer hätten beim Parteitag leicht zu einem mittleren Beben führen können.

Aber der frühere Fraktionsvize im baden-württembergischen Landtag hatte sich ja nicht in den ICE nach Berlin gesetzt, um vor seinen Parteifreunden aufzutreten. Er redete in sicherem Umfeld: bei der CDU. Das perfekte Timing war zufällig - schon vor längerem hatten ihn die Christdemokraten in Steglitz-Zehlendorf eingeladen.

Dass er ausgerechnet bei der CDU im Berliner Südwesten spricht, ist hingegen kein Zufall. Die Union mutiert hier schon seit drei Jahren vom sich selbst zerfleischenden Kreisverband zur schwarz-grünen Keimzelle der Stadt. Hier entstand nach der Wahl 2006 das stadtweit erste schwarz-grüne Bündnis. Hier stimmte die CDU jüngst im Bezirksamt einer Gemeinschaftsschule zu - ganz im Gegensatz zu ihrer Haltung auf Landesebene. Zwar betonte die Union sofort, jetzt nicht ihre Liebe zu dieser Schulform entdeckt zu haben. Und von Grünen ist zu hören, dass mancher Kampf vorangegangen war. Aber unterm Strich steht die Erkenntnis, dass Schwarz und Grün auch in der Bildung einen gemeinsamen Beschluss fassen können.

Im alten BVV-Saal greift Palmer, von der Union als "einer der talentiertesten Nachwuchspolitiker" der Grünen angepriesen, erwartbare Einwände gegen Schwarz-Grün auf. Atomkraft sei natürlich eine Hürde, die man überwinden müsse - "und die Peter Müller im Saarland überwunden hat", verweist er auf die dortige Jamaika-Koalition. Zugegeben, an der Saar gebe es kein Atomkraftwerk. Nichtsdestotrotz stehe nun eine CDU-Unterschrift unter dem Satz, man halte am Atomausstieg fest.

Nun ist es nicht so, dass die CDUler im Saal Palmer die Füße küssen für seine grünen Positionen und schwarz-grünen Offerten. "Ich merke schon an der Fragetechnik: Da gibt es Vorbehalte gegen Grüne", sagt Palmer, ohne darüber vergrätzt zu wirken. Natürlich kommen zwei Wortmeldungen, die sich mit seinem Elektro-Dienstfahrrad nicht anfreunden können, weil das keinen "fest installierten Regenschirm" habe. Palmer fehlt die Ortskenntnis, um locker zu kontern, dass gleich schräg gegenüber zwei Outdoor-Ausrüster eine breite Palette von Gore-Tex-Jacken anbieten.

Aber es gibt durchaus Applaus unter den rund 90 Zuhörern, als Palmer von seinem leider nicht umsetzbaren Wunsch spricht, für Geländewagen fünfmal so hohe Parkgebühren zu erheben. Auch sein pragmatischer Regierungsstil in Tübingen, sich jeweils Partner für Projekte zu suchen, kommt an. Strikte Koalitionsdisziplin ist für ihn nicht mehr angesagt: "Das macht die Politik insgesamt unglaubwürdig." Michael Braun, der CDU-Fraktions- und Parteivize, wird später gegenüber der taz ins Philosophieren kommen, ob man auch in Berlin umdenken müsse, ob nicht, abgesehen von Kernfragen, auch wechselnde Mehrheiten möglich sein könnten.

Für Palmer ist es ein Gebot der Zeit, "sich pragmatisch zu entscheiden: Wo passen die Programme, wo die Personen, wo die Mehrheiten?" Das klingt so, als ob ihm die Frau vorn rechts im Publikum diesen Satz in den Mund gelegt hätte. Irmgard Franke-Dressler hat 2006 als grüne Fraktionsvorsitzende in der BVV das schwarz-grüne Bündnis mit auf den Weg gebracht, bevor sie Landesvorsitzende wurde. Inzwischen mag sie nichts mehr zum Thema Koalition sagen oder wann darüber entschieden wird. Dazu äußere sie sich erst wieder, wenn es so weit sei, sagt sie lächelnd nach der Rede Palmers.

Der ist in der glücklichen Lage, dass in Baden-Württemberg Schwarze und Grüne ohne weiteren Partner regieren könnten. In Berlin jedoch brauchen sie absehbar auch nach der Abgeordnetenhauswahl 2011 die FDP, um als Jamaika-Koalition den rot-roten Senat abzulösen. Die Liberalen aber hatten die Kreuzberger Grünen beim Parteitag noch mehr gegeißelt als die Schwarzen. "Hier stehen wir", hatte der linke Abgeordnete Dirk Behrendt den Delegierten entgegengerufen, "und die FDP steht hinter der Wand dieses Raumes."

Andere Grüne hingegen weisen darauf hin, dass die Grünen in der Innenpolitik der FDP deutlich näher seien als der SPD. Und erinnern daran, dass ein alternativer als heute wirkender Grünen-Landesverband schon 2001 Koalitionsverhandlungen mit der FDP abgesegnet hatte.

Die Sache sollte wichtiger sein als die Farbe, ist Palmers Credo. Und dann sagt er noch so einen Satz, über den sich die Berliner Landesvorsitzende in der ersten Reihe nicht ärgern dürfte: "Man darf heute als Grüner sagen: Ich geh mit der CDU zusammen."

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