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Boom bei DüngemittelReiche Ernte mit Nebenwirkung

Bauern düngen so viel wie lange nicht mehr. Sogar ein Berater von Bundesminister Horst Seehofer (CSU) fordert, den Trend zu stoppen, der die Umwelt stark belastet.

Kräftig düngen heißt nicht, dass auch der Profit steigt. Bild: dpa

Weltweit steigt der Bedarf an Lebensmitteln, doch die Ackerflächen sind begrenzt. Die Antwort der Bauern: mehr Dünger. Die Landwirtschaft wird intensiver, das hat seinen Preis. 2005 kostet die Tonne Kali, einer der Grundstoffe für Düngemittel, 150 Dollar. Heute sind es gut 600 Dollar. Die Hersteller machen das beste Geschäft seit Jahren.

Nun warnt Ewald Schnug, ein Berater von CSU-Agrarminister Horst Seehofer, vor den Folgen des Booms. "Der Trend muss gestoppt werden, er kommt die Umwelt zu teuer", sagte Schnug der taz. Er leitet das Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde am Julius-Kühn-Institut in Braunschweig, das dem Ministerium untersteht.

Superdünger für Profit

Das beste Beispiel eines Konzerns, der wegen der großen Nachfrage nach Agrarprodukten aufblüht, ist der Kasseler Düngemittelhersteller K + S, bekannter unter seinem früheren Namen Kali und Salz. Das Unternehmen erwartet für 2008 eine Verfünffachung seines operativen Gewinns auf mehr als 1,6 Milliarden Euro.

Mit einem Börsenwert von gut 13 Milliarden Euro ist er am Mittwoch in den DAX-30, den Kreis der größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland, aufgenommen worden. K + S ist darin der erste Rohstoffkonzern und ersetzt den Reisekonzern TUI. Die Kasseler beschäftigen weltweit 12.000 Mitarbeiter. Mittlerweile erwägen sie auch ehemals geschlossene Kaligruben in Ostdeutschland wieder in Betrieb zu nehmen. Schon heute ist K + S einer der größten Exportumschlagbetriebe am Hamburger Hafen. Hobbygärtner kennen den Konzern durch die Marke Compo.

Die Globalisierungskritiker von Attac bemängelten jedoch: "Kali und Salz hat sich in den letzten Monaten am Hunger in der Welt eine goldene Nase verdient." Eine "Kehrtwende" in der Agrarpolitik sei nötig - weg vom "Run auf Kunstdünger", hin zu einem "kleinteiligen, traditionellen Landbau".

So gut wie in diesem Jahr war die Ernte lange nicht mehr. Die deutschen Bauern haben 49,9 Millionen Tonnen Getreide eingefahren. Das entspricht gut 20 Prozent mehr als 2007. Auch im Vergleich zum langjährigen Mittel ist das ein Plus von 13 Prozent. Jeder freie Hektar wurde bepflanzt, die Hälfte aller Brachflächen zu Acker umgebrochen. Die EU hat ihr Programm zur Flächenstilllegung zu den Akten gelegt.

Für die Rekordernte gibt es aber auch noch einen anderen Grund: Die Felder waren viel ertragreicher. Fuhren die Bauern 2007 zum Beispiel weniger als 70 Dezitonnen Weizen von einem Hektar ab, waren es in diesem Jahr 81. Das Wetter war ideal. Interessanter allerdings: Die Bauern halfen nach wie schon lange nicht mehr.

In den letzten zwölf Monaten haben sie 15 Prozent mehr Kali-, 20 Prozent mehr Phosphat- und 13 Prozent mehr Stickstoffdünger gekauft als im Vorjahreszeitraum. Dahinter steckt eine einfache Rechnung, meint Hannelore Schmid vom Industrieverband Agrar, einem Zusammenschluss von Firmen wie Bayer, BASF und Syngenta: "Mehr Input heißt mehr Output." Jeder Bauer hat gelernt, dass Stickstoff, Phosphor und Kali die drei wichtigsten Nährstoffe für Getreide sind. Motto: Viel hilft viel.

"Die Regel stimmt nicht", sagt allerdings Forscher Schnug. Aber gibt die satte Ernte den Bauern nicht recht? Der Dünger lohne sich anfangs, dann sei aber "schnell Schluss damit", erwidert der Forscher - und beruft sich auf das Gesetz des abnehmenden Ertragszuwachses. Das bedeutet: Irgendwann werden Pflanzen krank, wenn sie zu viel Dünger bekommen. Das ist ähnlich wie beim Menschen, der zu viel isst und fett wird.

Zudem kommt vom Dünger immer nur ein Bruchteil bei den Pflanzen an. Der Rest wird zum Beispiel mit dem Regen vom Acker gespült - und gelangt über Bäche und Flüsse in den Ozean. Forscher Schnug erklärt: "Was Getreide auf dem Feld wachsen lässt, nährt auch Algen im Meer." Dort blüht das Grünzeug und verzehrt den Sauerstoff. Dem Meeresgetier bleibt die Luft weg. Experten sprechen von "Todeszonen". In der Ostsee breiten sie sich schon aus.

Martin Hofstetter, Agrarexperte von Greenpeace, kritisiert darüber hinaus: "Landwirte düngen den Klimawandel". Stickstoffdünger gilt als besonders klimaschädlich. Ein Teil von ihm wird auf dem Acker nämlich zu Lachgas, das 310-mal so stark als Treibhausgas wirkt wie Kohlendioxid. Außerdem ist die Düngerproduktion ohnehin energieaufwendig. Und die deutsche Landwirtschaft ist schon heute für 13 Prozent der bundesweit ausgestoßenen Klimagase verantwortlich. Der Pkw-Verkehr schlägt mit 12 Prozent zu Buche. Die Bauern seien zu verschwenderisch, sagt Hofstetter.

Es gibt bereits effizientere Düngemethoden - etwa Maschinen, mit denen schwer löslicher Stickstoff im Frühjahr acht Zentimeter tief in den Boden injiziert wird. So entsteht eine Art Depot, aus dem sich die Pflanze über das Jahr versorgt. 30 Prozent Dünger sollen sich damit einsparen lassen. Verbreitet ist das Verfahren aber noch nicht. Das müsse sich ändern, meint Hofstetter - durch Druck: "Bauern, die Dünger vergeuden, müssen die Subventionen gestrichen werden".

Schnug plädiert hingegen für ein altes Mittel: Aufklärung. Bauern müssten wieder in Kreisläufen denken - und auf ihren Feldern Mist und Gülle effektiv einsetzen. Die Landwirtschaft sei in getrennte Wirtschaftszweige zerfallen, hier die Megaschweineställe, dort die Weizenbauern. Viehbauern haben zu viel Gülle und entsorgen sie in Massen auf wenig Fläche, die Getreideproduzenten haben zu wenig und kaufen Kunstdünger für große Äcker zu.

Im Hause von Schnugs oberstem Dienstherrn sieht man indes kein Problem und setzt auf den Markt. Eine Sprecherin des Seehofer-Ministeriums sagte der taz: "Es liegt schon allein aus Kostengründen im Interesse der Bauern, Düngemittel effizient einzusetzen."

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3 Kommentare

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  • H
    Hesekamp

    Also wer den Atikel geschrieben hat hat eien Fachkenntnis die gegen 0 geht. Da kann ich Hans in seinen Kommentaren nur recht geben (ich liste das jetzt nicht nochmal auf) Richtig ist das die Land und Forstwirtschaft einer der größten CO² Produzenten ist. Was man dabei aber nicht vergessn darf ist das die Land und Forstwirtschaft´der mit Abstand größte Produzent an Sauerstoff ist, bzw der größte CO² vernichter... Und die Kiste mit dem Lachgas ist nun wirklich lachhaft... Wieviel mg pro km² sind es denn????

  • H
    hans

    Ist ja alles schön und gut, aber ganz nüchtern betrachtet ist die Kausalkette falsch.

    1. Ertragssteigerungen von 20 % sind, bei gegebenen Bodenverhältnissen und hohem Ertragsniveau, pflanzenbaulich oberhalb von 70 dt nicht möglich nur durch die Steigerung der Düngeintensität nicht möglich. Zumindest nicht in einem Jahr. Ausschlaggebender Punkt ist hier ganz klar die Wetterlage in den beiden Reverenzjahren.- Zudem muss man auch zugehalten das das Ertragsniveau jährlich 2% durch Züchtung ansteigt (allerdings wird hier ja der Zeitraum vom „langjährigem Mittel“ nicht angegeben)

    2. Ertragssteigerungen werden in den nächsten Jahren bedingt durch den Klimawandel bei Weizen (C3-Pflanze) vermehrt auftreten. Durch höhere Temperaturen, speziell in den Winter Herbst und Frühjahrsmonaten, und durch Steigerung der Nettofotosyntheseleistung aufgrund höherer CO2 -gehalte in der Luft.

    3. Der Vergleich mit dem Dicker werden des Menschen bei mehr Nahrungsaufnahme hinkt (Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs), bzw. er ist nicht unbedingt ein Argument welches gegen eine erhöhte Düngung spricht. Erklärung: Wenn der Mensch garnichts isst stirbt er. Iss er wenig hat er wenig Kraft um irgendwie zu handeln. Das kann man jetzt soweit steigern bis er wenig Kraft hat, weil er zuviel ist und schließlich daran stirbt.

    Also wäre der logische Schluss: Soviel essen das am Leistungsstärksten ist, bzw. auf einer Skala von 1 bis 10 wäre das eine 5 oder 6 (Wobei 1 garnichts essen ist und 10 zuviel essen bis zum tode ist). Bei den Pflanzen befinden wir uns auf einem Düngeniveau von circa 2 bis 3 aber noch lange nicht bei 5 oder geschweige denn darüber. Also wäre es jetzt nach der Logik sinnig zu düngen, das macht aber ökonomisch keinen sinn, weil der Ertragszuwachs zu gering ist. Und das macht auch kein Landwirt. Die deutsche Landwirtschaft befindet sich auf der Skala von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich zwischen 2 und 3.

    4. Die These das der Dünger vom Acker gespült wird ist sicherlich theoretisch vorstellbar spielt in der Praxis aber eine nebulöse Rolle. Das die Pflanze nur eine kleine Teil vom Dünger aufnimmt ist richtig, aber der Rest wir in der Bodenreserve festgelegt und dient dann in den Folgejahren als Dünge. Auf Tonhaltigen Böden ist Kali, Phosphor und Stickstoff (in NH4+ Form) nicht auswaschungsgefährdet aufgrund negativ geladener Bodenminerale. (andere Nährstoffe gehören auch noch in die Gruppe der Nichtauswaschungsgefährdeten aber ich beschränke mich mal auf die im Text genanten)

    5. Würde mich interessieren wie Herr Hofstetter an seine Posten gekommen ist. Das ist mit abstand das unsinnigste in dem ganzen Artikel was der Herr hier zum Besten gibt. Lachgas kann nur über den Weg der Denitrifikation entstehen, problematischer sind bei unangebrachten Düngeterminen Ammoniakentgasungen. Diese können allerdings wirklich ein Problem darstellen. Sie sind durch sachgerechte Düngerausbringung allerdings vollständig zu vermeiden, leider ist das heute noch nicht durchgehend der Fall, so dass hier noch Handlungsbedarf ist.

    6. Die Stickstoffinjektion in den Boden (auch CULTAN genannt) ist eine Form der Düngung, die den Stickstoff ganz partiell platziert, die beschriebene „schwere Löslichkeit“ resultiert auf Toxizitäten für Mikroorganismen aufgrund seiner Morphologie (also dem Depot). Dünger lässt sich dadurch meines Wissens nicht einsparen, er liegt nur in einer anderen Form vor. Das Verfahren ist aber in der Praxis nur bedingt erprobt und funktioniert daher noch nicht überall. Das wiederum zieht erhebliche Missernten bei Anwendung nach sich und ist ökologisch, wie beschrieben, überhaupt nicht sinnig.

     

    Zwei Anmerkungen noch zum Schluss ich Denke schon das Bauern auch heute noch in Kreisläufen denken, weil jenes das Fundament des Berufsstandes ist (auch bei starker Spezialisierung). Und das Wort Kunstdünger ist völlig fehl am Platz weil dieser Dünger nicht Künstlich hergestellt wird, sondern aus mineralen gewonnen wird. Ausnahme ist der Stickstoffdünger der mittels Elektrizität aus dem Luftstickstoff hergestellt wird, aber daher auch einen natürlichen und keine künstliche Stoff als Basis hat. Das korrekte Wort heiß dafür Mineraldünger.

  • A
    anke

    Dass Der Markt weder vernünftig noch nachhaltig denkt, sollte eigentlich auch im Landwirtschaftsministerium (das sich, eng gesehen, auch um den Verbraucherschutz kümmern müsste) klar sein. Der Markt nämlich ist kein Mensch. Er hat also weder einen Kopf, noch hat er ein Gehirn. Und genau genommen gibt es ihn überhaupt nicht, den Markt. Es gibt lediglich die Märkte (maskulines Substantiv im Plural). Die Märkte allerdings haben offenbar ausgesprochen vielfältige Interessen, genau wie die Menschen, die sie betreiben. Und genau wie die Marktbetreiber interessieren sich die Märkte nur für Dinge, von denen sie meinen, dass die sie etwas angehen. Wenn (nur zum Beispiel) ein Bauer gar nicht vermutet, dass ihn natürliche Kreisläufe etwas angehen, dann geht er auf einen Markt seiner Wahl und ordert dort Kunstdünger bis zur Überdosis. Und falls auch der Betreiber des Marktes nicht glaubt, dass natürliche Kreisläufe ihm etwas anhaben können, dann verkauft er das Zeug in tödlichen Massen – man muss schließlich sehen, wo man bleibt und wenn ich es nicht mache, nicht wahr, macht es ein anderer. Sowohl der Bauer als auch der Händler werden womöglich eines Tages aus Schaden klug - wenn sie sich nicht vorher aufklären lassen. Vielleicht auch nicht. Ich vermute jedenfalls, das eigentliche Problem (sofern es eines gibt) sind eher der Bauer und der Händler, als der Markt. Ebenso, wie nur der Bauer und der Händler die Lösung sein können. Der Markt? Wer ist das eigentlich? Sieht der Kerl wenigstens gut aus?