■ Bonner Korruptionsbekämpfung: Schmieren statt kalkulieren
Korruption kommt teuer. Eine simple Faustregel lautet: Die Kosten bei öffentlichen Bauvorhaben liegen im Schnitt ein Drittel über den tatsächlichen Marktpreisen. Es wird geschmiert statt kalkuliert. Durch Korruption und Preisabsprachen entsteht allein im öffentlichen Bauwesen jährlich ein geschätzter Schaden von mehr als 10 Milliarden Mark. Das sollte zum Handeln zwingen, möchte man meinen.
Ein Irrtum leider, auch wenn sich gegenwärtig die Altparteien mit Gesetzesvorlagen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität populistisch zu überbieten trachten. Altbekannte Ladenhüter werden hervorgekramt. Nach dem Willen der Koalition sollen künftig bei Korruptionsverdacht die Telefone angezapft und verdeckte Ermittler eingesetzt werden dürfen. Und die Sozialdemokratie gibt sich der Illusion hin, mittels einer (grundrechtlich höchst problematischen) Beweislastumkehr den Kriminellen ihr illegal erworbenes Vermögen entziehen zu können. Nur: es bedarf gar keiner neuen gesetzlichen Regelungen.
Eine effiziente Korruptionbekämpfung müßte ansetzten, wo illegale Preisabsprachen, Kartellbildungen und Bestechungen das Geschäftsgebahren diktieren. Tatsächlich wird das Gegenteil nicht nur praktiziert, es wird sogar propagiert. Die Koalitionsmehrheit lehnte es gestern im Innenausschuß wie auch im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit ab, das Steuerprivileg für Bestechungsgelder zu streichen. Wer bei der Vergabe von millionenschweren Aufträgen zu seinen Gunsten ein klein wenig nachhilft, der darf das Sümmchen bei der Steuer weiterhin als „nützliche Aufwendung“ abschreiben. Für den Baudirektor die kleine Jacht im Mittelmeer, ein Sportwagen für den Planungschef, der Referent wird sich nach einerkleinen Luxusreise durch die Südsee schon etwas zugänglicher zeigen. Selbstredend fließen die „nützlichen Aufwendungen“ dann in die Kalkulation für den frisch ergatterten Auftrag ein.
Das paßt so recht nicht zusammen: Die eine Hand fordert neue Gesetze, um Korruption zu bekämpfen. Die andere aber befördert sie geradezu. Beispielsweise mit dem Argument, die bundesdeutsche Wirtschaft vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber der internationalen Konkurrenz schützen zu müssen. Da wird nicht nur mit Kanonen auf Spatzen geschossen, da wird heuchlerisch Theaterdonner inszeniert. Wolfgang Gast
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