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Bonner CSSR–Botschafter begrenzt Gefolgschaft zu Gorbatschow

Bonn (dpa) - Auf einer ungewöhnlichen Pressekonferenz hat der Bonner CSSR–Botschafter Dusan Spacil am Montag erklärt, daß sein Land den Reformkurs des sowjetischen Parteichefs Michail Gorbatschow „hundertprozentig unterstützt und auch selbst schöpferisch anwenden will“. Gleichzeitig begrenzte Spacil eine bedingungslose Gefolgschaftstreue mit dem Hinweis, daß jedes Land seine eigenen Probleme und Entwicklungen durchlaufe. Deshalb gelte für die CSSR: „Unterstützen heißt nicht kopieren.“ Mit seinen politischen Stellungnahmen, mit denen Spacil als Botschafter aus dem Bereich des Warschauer Paktes in Bonn Aufmerksamkeit erregte, wollte er die Berichterstattung in deutschen und internationalen Zeitungen korrigieren, in der es geheißen hatte, die CSSR rücke vom Reformkurs Gorbatschows ab, und der starke Mann der Prager Führung, ZK–Sekretär Vasil Bilak, fordere eine harte Linie. Bilak hatte am Ende einer Sitzung der ideologischen Kommision des tschechoslowakischen ZK ausdrücklich vor „Feinden des Sozialismus gewarnt“, die den Reformkurs der Sowjetunion als Vorwand benutzten, um sich „zu mästen“. Das Referat wurde von Spacil verteilt. Als Lehre daraus gelte, nie die Konterrevolution des sogenannten Prager Frühlings 1968 zu vergessen. Auf Fragen gab der Botschafter zu, daß seines Wissens bis jetzt in der tschechoslowakischen Presse noch nicht über die Freilassung politischer Häftlinge in der Sowjetunion berichtet worden sei. Über die Rückkehr Sacharows habe er in seiner eigenen Presse noch nichts gelesen. Darüber sei „sozusagen nicht an prominenter Stelle“ berichtet worden. Daß die Tschechoslowakei zwar den großen Verbündeten unterstütze, dessen Politik nicht aber deckungsgleich in jedem Fall übernehmen könne, gehe schon aus der Geschichte hervor. Spacil erinnerte daran, daß in der Sowjetunion der Sozialismus schon seit 70 Jahren bestehe, in der CSSR aber erst seit 40 Jahren.

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