: Bonn will Fluchtursachen angehen
■ Eine interministerielle Arbeitsgruppe legte in Bonn ein Papier zur Flüchtlingssituation vor/ Unterstützung für die Situation vor Ort gerät zunehmend ins Blickfeld
Bonn (taz)— Eine sogenannte Flüchtlingskonzeption will das Bundeskabinett heute in einer Woche verabschieden. Deutlicher als bisher werden in dem Papier einer Gruppe von Fachleuten aus dem Innen-, Entwicklungshilfe-, Wirtschafts- und Arbeitsministerium sowie dem Auswärtigen Amt die Ursachen von Flucht benannt. Demzufolge soll auch die Entwicklungszusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und den Hauptherkunftsländern der Flüchtlinge ausgebaut werden. Bisher, so beklagen die Autoren des Papieres, habe die Entwicklungszusammenarbeit „nicht hinreichend die Weltflüchtlingsproblematik“ beachtet. Die bisher ergriffenen Maßnahmen seien „nicht frei von allgemeiner Konzeptionsschwäche“. Flüchtlinge aus ost- und südosteuropäischen Ländern sollen aufgehalten werden — „kurzfristig durch Hilfen zur Ausbildung und Beschäftigung [...] in diesen Ländern.“
Grundsätzlich soll mit einer finanziell unterstützten „freiwilligen Rückkehr“ der Flüchtlinge das Problem der Wanderungsbewegungen von Süd nach Nord angegangen werden. Auch will man Drittstaaten in der Nachbarschaft des Herkunftslandes motivieren, die Flüchtlinge aufzunehmen. Als Anreiz sollen „Strukturhilfen“ angeboten werden. Flüchtlingen aus Ost- und Südosteuropa will man Rückkehrhilfen gewähren. Auf diese Weise sollen sie sich in ihren Heimatländern eine selbständige Existenz aufbauen können. In einem Vorentwurf zu diesem Papier hatte die Bundesregierung bereits im Januar dieses Jahres beklagt, daß man bisher nicht energisch darauf gesetzt habe, den Flüchtlingen Anreize für eine Rückkehr in ihre Herkunftsregion zu bieten oder „alternative Lösungsvorschläge“ zur herkömmlichen Asylpolitik zu entwickeln.
Die Flüchtlingsorganisation „Pro Asyl“ sieht sich nach einem Bericht der 'Süddeutschen Zeitung‘ mit der jetzt bekannt gewordenen Konzeption grundsätzlich bestätigt: Nicht Flüchtlinge, sondern Fluchtursachen seien zu bekämpfen. Daß Innenminister Schäuble mit dem Papier der Kritik an der restriktiven Asylpolitik lediglich kurzfristig etwas entgegensetzen wolle, mochte „Pro Asyl“ nicht ausschließen.
„Nichts wirklich Neues“, so kommentierte Wilfried Penner, innenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, die Konzeption. Zwar sei das Bemühen erkennbar, Flüchtlingen nicht mehr ausschließlich mit Abwehr zu begegnen. Allerdings könne eine solche „sehr allgemeine Absichtserklärung“ die „schwelenden Probleme“ nicht lösen, sondern sei lediglich „ein kurzes Atemholen“. „Nicht ganz fernliegend“ sind nach Ansicht Penners „Mutmaßungen dahingehend, daß dieses Papier vor allem die katholische Kirche beschwichtigen soll“. Ferdos Forudastan
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