Bonn-apart: Taiwan hat viele Freunde
■ 130 Bundestagsabgeordnete fliegen auf Taipeh
Bonn (taz) – 46 Parlamentariergruppen, in denen die Beziehungen mit den Parlamenten anderer Staaten gepflegt werden, zählt der Deutsche Bundestag. Die meisten Mitglieder, nämlich 194, hat die deutsch-israelische Gruppe. Die 171 Freunde der USA stehen auf Platz zwei. Gleich darauf folgt als dritte mit 130 Abgeordneten eine Gruppe, die gar keine offizielle Gruppe ist: Der Freundeskreis Bonn-Taipeh. Auf seiner Mitgliederliste stehen SPD-Linke wie Manfred Opel und CDU-Rechtsaußen wie Heinrich Lummer, viele Liberale und überdies drei amtierende Bundesminister. Einmal pro Jahr – dieses Privileg hat der Freundeskreis mit den anderen Gruppen gemeinsam – darf eine Delegation auf Steuerzahlerkosten ins Partnerland reisen.
Im offiziellen Verzeichnis des Bundestagspräsidiums wird die Gruppe jedoch nicht geführt – es gibt ja auch keine diplomatischen Beziehungen mit Taiwan. Außenminister Klaus Kinkel vertritt wie sein Vorgänger Genscher eine „Ein-China-Politik“. In Taipeh unterhält Bonn keine Botschaft. Es gibt nur ein vom Deutschen Industrie- und Handelstag betriebenes „Wirtschaftsbüro“. Eine Botschaft gibt es in Peking, der Hauptstadt der Volksrepublik China. Deren Parlamentariergruppe jedoch zählt nur 70 Mitglieder.
Entsprechend lautstark protestierte die Taiwan-Lobby, als die Bundesregierung im Januar U- Boot-Verkäufe an Taiwan ablehnte – Kinkel fürchtete um den Zukunftsmarkt China. Die Taiwan-Gruppe gab sich dadurch nicht geschlagen. 150 Unterschriften aus Union und FDP fand ein Antrag an den Bundestag, „alle Handelshemmnisse“ mit Taiwan aufzuheben. Etwas entschärft, soll er jetzt im Parlament behandelt werden.
Ein Taiwan-Freund wie der SPD-Mann Horst Niggemeier verweist auf die Arbeitsplätze in der Werftindustrie und schilt den Außenminister für dessen „provinzielle Außenpolitik“. Der FDP-Abgeordnete Wolfgang Lüder macht kein Geheimnis daraus, daß er als Rechtsanwalt das U-Boot-Konsortium berät, erzählt aber auch von der „faszinierenden Entwicklung“ hin zur Demokratie, die Taiwan durchmache. Welch ein Kontrast zur Lage in der Volksrepublik!
„Die Menschenrechtsverletzungen der Chinesen helfen ihnen“, sagen auch Kritiker des Freundeskreises. Zudem betreibe Taiwan eine „aktive Einladungsdiplomatie“. Gerne ist das reiche Taipeh bereit, Besuchern den Flug zu bezahlen und ihnen einen ehrenvollen Empfang zu bereiten. Etwa unlängst dem Besucher Niggemeier. In Taipeh hatte er Gespräche mit dem Wirtschaftsminister und dem Vize- Außenminister des 20-Millionen- Staates auf dem Terminkalender. In Bonn ist er ein Hinterbänkler.
Mag sein, daß Taiwan deshalb für amtierende deutsche Minister nicht mehr so attraktiv ist. Jochen Borchert (CDU), seit Jahresbeginn Landwirtschaftsminister, steht zwar auf der Mitgliederliste, „entsinnt“ sich aber „nicht“, so sein Sprecher, eingetreten zu sein. Genauso Entwicklungsminister Carl-Dietrich Spranger (CSU), ebenfalls vom Freundeskreis geführt. Er hat „da überhaupt keine Erinnerung“. Hans-Martin Tillack
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