■ Bonn apart: Boliden des Fortschritts
Oje, oje! Gleich heißt es wieder, wir seien hämisch, redeten die Sozialdemokratie schlecht.
Wir haben es uns wirklich gewünscht: nicht noch mehr Patzer, keine Ausrutscher des Parteivorsitzenden mehr. Keine Verwechslung von Netto- und Bruttoeinkommen, keine neuen Kampferklärungen an falsche Gegner und nichts mehr von der Art wie nach der Europawahl: „Die erste Runde war eine Niederlage. Aber es folgen weitere.“
Runden natürlich. Und da liegt Rudolf Scharping auch unzweifelhaft richtig: Morgen wird in Sachsen-Anhalt wieder eine neue eingeläutet. Runde natürlich.
Fast alle Landesvertretungen in Bonn sind in sehr repräsentativen Bauten untergebracht: Aushängeschilder ihrer Bundesländer, in denen Ministerpräsidenten und Minister gern für ihre Politik und die ihrer Parteien werben. Das ist auch in der Vertretung des SPD-regierten Landes Rheinland-Pfalz nicht anders, vor der am Dienstag knallbunte Rennwagen prangten. Drinnen lief man von gefällig plazierten Autoreifen der breiteren Art (Michelin Pilot SX MXX 3 AP) zum Rennmotorrad „Ducati 888 Racing“ (Spitze: rund 300). Von der Alufelge schlenderte man zum PS- starken Boliden der Rennpiste und packte sich noch einen Prospekt der „Obersten Nationalen Sportkommission für den Automobilsport in Deutschland“ ein. Das Thema des Abends hieß eben „Nürburgring“.
Ja, wie nun? Gerade ist der Streit um Tempo 130 im Programm der SPD halbwegs vergessen, gerade ist das Image des Öko-Bremsers überwunden geglaubt, da wird in Scharpings Bonner Schaufenster schon wieder auf die Tube gedrückt?
Wo war denn da die ökologische Vorbildhaftigkeit und wo das Mindestmaß an politischem Gespür in heiklen Zeiten? Jedem Bundesland seinen Nürburgring? Jedem SPD-Wähler einen Boliden mit 7.200 Umdrehungen die Minute und 140 Pferdestärken?
Wir reißen uns zusammen, schreiben keine Glosse. Nur soviel: Die Runde mit dem Nürburgring als Aushängeveranstaltung war ein echter Flop. Aber es folgen weitere. Runden natürlich. Hans Monath
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