■ Bonn apart: Lob und Tadel
Heiner Geißler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, schien sich ausgerechnet im Wahlkampf entschlossen zu haben, den politischen Gegner systematisch aufzuwerten. Erst überschüttete er vergangene Woche als Gastredner bei der Vorstellung von Joschka Fischers neuem Buch „Risiko Deutschland“ den Autor mit Lob. Wenige Tage später trat er dann schon wieder an, um das Werk eines Politikers zu präsentieren, der einst den Grünen angehörte: Otto Schily, heute Bundestagsabgeordneter der SPD, legte ein Buch vor mit dem Titel „Flora, Fauna und Finanzen. Über die Wechselbeziehung von Natur und Geld“.
Schon kam die Befürchtung auf, der taktisch gewiefte Jesuitenschüler Geißler wolle Zwietracht säen zwischen den potentiellen Koalitionspartnern SPD und Grünen, indem er schwarz- grüne Übereinstimmung vorführe. Aber wer an eine Strategie nach dem Motto „Die lob' ich zu Tode“ geglaubt hatte, sah sich getäuscht. In der Hamburger Landesvertretung ließ der vermeintliche Laudator an Schilys Werk kein gutes Haar und sorgte für eine ziemlich seltsame Bonner Buchvorstellung.
Nicht einmal zu dem obligatorischen Satz, wonach die Thesen des Buchautors anregend seien, wollte sich Geißler („ich versuche, ein bißchen Streitkultur zu machen“) aufraffen. Den angeblich anthropozentrischen Ansatz des Rechtsanwalts kanzelte er ebenso barsch ab wie die „Öko-Expertokratie“, zu der Schilys Forderung nach einem unabhängigen Bundesumweltamt unweigerlich führen werde. Allerdings war Geißlers ausführliches Zitieren aus der Verlagsankündigung nicht eben dazu geeignet, den Eindruck zu zerstreuen, der Laudator habe das von ihm so gründlich verrissene Werk nur sehr flüchtig gelesen.
Autor Schily vernahm die Abkanzlung mit betretener Miene. Der Freund geregelter Umgangsformen brachte immerhin die Souveränität auf, sich zu bedanken („das gebietet die Höflichkeit“), bevor er in leicht schleppender Sprechweise konterte und immer wieder zu dem Schluß kam: „Das haben Sie leider nicht verstanden.“
Hatte Geißler, der seine eigene Partei ausführlich lobte, tatsächlich nichts verstanden? Vielleicht war das Verhalten des gewieften Taktikers doch weniger von den Thesen des Buches als von politischem Kalkül geprägt. Schließlich hatte er mit Joschka Fischer den Vollblut- Grünen gepriesen, während er den zur SPD abgewanderten Ex-Grünen Schily filetierte (Motto: „Zu Tode loben und zu Tode tadeln“). Mit Spannung wird in Bonn deshalb erwartet: Welches Buch eines Grünen- nahen Autors stellt Geißler als nächstes vor? Hans Monath
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