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Bonn apartBürgerschreck Grüne

■ Peter Hintze macht mobil

Das kurze rot-grüne Stimmungshoch nach der Landtagswahl von Nordrhein-Westfalen hat Helmut Kohl so alarmiert, daß er prompt der alten Lagertheorie neues Leben einblasen mußte. Im guten Lager steht demnach der solide bürgerliche Block der CDU. Im bösen Lager hingegen raufen sich die unzuverlässigen Sozis mit der grünen Chaos-Truppe. Weil die SPD aber zum Bürgerschreck nicht mehr so recht taugen will, kommt die Rolle des verschlagenen Bösewichts allein den Grünen zu.

Wenn der Parteichef die Richtung vorgibt, muß der CDU-Generalsekretär schnell nachlegen. So wohlsortiert in Gut und Böse, wie Kanzler Kohl sie gerne hätte, soll die politische Landschaft bis zur Bundestagswahl 1998 gefälligst bleiben. Peter Hintze bemühte sich tapfer.

Seine neueste Broschüre aus dem Adenauer-Haus trägt den Titel „Eine Partei wird entzaubert“ und verspricht „Materialien zur Auseinandersetzung mit den Bündnisgrünen“. Er beschwert sich darin über das gute Image der Oppositionspartei. Wer lobende Artikel über Gesetzentwürfe der Grünen mittlerweile gar schon im Wirtschaftsteil der FAZ lesen muß, kann das Entsetzen dieses Mannes verstehen. Da bleibt Hintze nur das Pfeifen im Wald. „Die real existierenden Grünen werden ... von den wenigsten zur Kenntnis genommen“, schreibt er sich in Laune. Und wer genauer hinsehe, treffe nicht „auf die freundlichen Naturschützer und engagierten Bürgerrechtler“, sondern auf „linkssozialistische Fundamentalisten, ideologische Alt-68er und radikale Öko-Utopisten“.

Abgesehen davon, daß manche Grüne sich den Schuh, den Hintze da vor die Tür stellt, ganz gerne anziehen würden: Eindrucksvolle Belege für seine Erkenntnisse hat er in der 23-Seiten-Broschüre nicht zusammengetragen. Schmerzlich vor allem, daß der stärkste Grünen- Politiker, Joschka Fischer, in der Dokumentation praktisch nicht vorkommt. Offensichtlich läßt sich der Fischer der 90er nur sehr schlecht zum Wählerschreck ummodeln.

Was aber, wenn die Grünen nun mit einer Dokumentation über ökologische Programmatik in der Union zurückschlagen und die Partei damit ihren konservativen Wählern entfremden? Zitatvorschlag: „Die Visionäre vor 50 Jahren waren die eigentlichen Realisten.“ Soll das heute anders sein, nur weil der Satz von Helmut Kohl stammt? Hans Monath

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