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■ Bonn apartGeisterstunde im Bundestag

Und siehe da, der Deutsche Bundestag ist beliebig verkleinerbar. Donnerstag abend, fast Geisterstunde, von jeder Fraktion haben ganze vier Abgeordnete ausgehalten, von FDP, SPD und Union, von der PDS-Gruppe sogar fünf. Droht ein Putsch der Reformsozialisten? Die Chance wird vertan. Einsamkeit führt zu Einigkeit, ganz demonstrativ. Abstimmung durch Handaufheben, Abstimmung durch Erheben von den Sitzen, alle stimmen zu, keiner dagegen, keiner enthält sich.

Was wurde diskutiert und beschlossen? Ein Thema, das angeblich viele interessiert; wenn's drauf ankommt, aber fast niemanden. „In die Kernzeit gehört das!“ beschwert sich lautstark Christa Nickels von den Grünen, aber die verborgenen Macher der Plenumstagesordnung zogen anderes vor (zum Beispiel das „Erste Gesetz zur Änderung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes“). Was das für eine Tagesordnungspunkt zur Mitternachtsstunde war? „Weiterer Umgang mit dem DDR-Unrecht“.

Gerald Häfner, Gerd Poppe und andere Abgeordnete der Bündnisgrünen haben auf zwölf Seiten anschaulichst formuliert, wie die Aufarbeitung der DDR- Vergangenheit an DDR-Nostalgie zu scheitern droht, listen auf, wie wenige Opfer von einst entschädigt werden und daß schon in 15.918 Fällen von Regierungskriminalität in der DDR ermittelt wurde, aber bislang nur in 53 Fällen eine rechtskräftige Entscheidung erging. Neue Strafnormen gegenüber Diktaturen müßten verankert werden, „Zersetzung“ müsse endlich als Straftat begriffen werden. Aber wen interessiert das schon? Am Ende immerhin 21 Abgeordnete (zu Beginn der Debatte 27). Und ebendiese stimmen sogar darüber ab, verweisen weiter an die Ausschüsse und verabschieden gar Gesetzesmaßnahmen: Einstimmig (!) wird die Verjährung von Antragsfristen zum SED-Unrechtsbereinigungsgesetz verlängert, um zwei Jahre bis zum 31.12.1997. Die Lehre: Es bedarf also gar keines großen Bundestages, beschließen kann man auch so, sogar mit der PDS.

Kurz zuvor hatte die einen Befreiungsschlag vollzogen. Rund 35 Abgeordnete waren noch da, als das Rentenüberleitungsgesetz debattiert worden war. Denn das Rentenrecht diskriminiert DDR- Pensionäre schon aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der SED, und das sehen mittlerweile auch Grüne und SPD nicht mehr ein.

Nur der CDU-Abgeordnete Michael Wonneberger aus dem brandenburgischen Cottbus maulte, die „Speichellecker“ in der DDR verdienten keine Gleichberechtigung. Da platzte Petra Bläss von der PDS die Galle. Und sie erzählte, daß ebenjener Michael Wonneberger doch an ihrer Schule in Cottbus von 1980 bis 1982 als Elternbeirat für FDJ und Wehrerziehung zuständig war. Und Hans-Joachim Hacker von der SPD konnte sich genau erinnern, daß Wonneberger 1968, als die DDR mit in Prag einmarschierte, in die Ost-CDU eintrat. Da schmollte die Blockflöte und schwieg. Holger Kulick

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