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■ Bonn apartKeinen Pfennig wert

Stellen wir uns vor, daß Kanzler Kohl das Zeitliche gesegnet hat. Endgültig. Zum Beispiel wegen eines Herzinfarkts, weil er ein Gespräch von Hannelore mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung belauscht. Oder weil er meint, an Halluzinationen zu leiden, nur weil er Schröder und Lafontaine händchenhaltend im Garten des Kanzleramts sieht. Solche Vorstellungen sind natürlich geschmacklos, aber Gedanken sind ja frei.

Was ginge uns also im Kopf herum? Würden wir beim Autowaschen innehalten und uns fragen, ob wir uns je wieder einen teuren Wagen leisten können? Würde die FDP darauf hoffen, daß die Wiedervereinigung rückgängig gemacht werden könnte? Würden Spekulanten reihenweise aus dem Fenster springen, weil sie ihre Euro- Vorräte auf einmal für wertlos erachten? Schließlich ist Europa ohne Kohl sowenig denkbar wie die Besiedlung Amerikas mit Christenmenschen ohne Kolumbus. Alles nur realitätsferne Spinnerei? Von wegen.

Gestern war es nämlich so weit: Kohl war tot. Jedenfalls behaupteten das internationale Finanznachrichtenagenturen. Ein Hammer, dachten wir, ärgerten uns aber sogleich, weil wir jetzt viel Arbeit auf uns zukommen sahen.

Fasziniert schauten wir auf die Fieberkurve des D-Mark- Kurses, die plötzlich nach unten zeigte. Ja, auf den internationalen Finanzmärkten ist unser Kanzler wirklich geachtet, dachten wir gerührt. Ob die Mark wohl im Oder-Tempo weitersinken würde? Und ob dann auch die Bundeswehr helfen könnte?

Zum Glück stellte sich nach einigen Minuten heraus, daß Kohl immer noch lebend im Wolfgangsee schwimmt. Und das Wichtigste: Die D-Mark war nur um 0,4 Pfennig gesunken. Das machte uns dann doch richtig traurig. Ist unser Kanzler etwa nicht mal einen Pfennig wert? Markus Franz

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