■ Boliviens Koka-Bauern protestieren: Abgeschobene Schuld
„Koka ist ein gutes Geschäft, aber der Kampf gegen die Koka auch.“ Dieser Satz gilt nicht nur in Bolivien, sondern in allen Koka produzierenden und verarbeitenden Ländern. Im Moment ist es die bolivianische Regierung, die gegen die cocaleros der illegalen Anbaugebiete des Chapare vorgeht. Das muß sie, schon um zu zeigen, daß sie irgend etwas gegen den Drogenhandel und die Drogenproduktion im Lande tut. Denn schließlich bekommt der bolivianische Staat nicht unerhebliche Summen für diesen Kampf.
Einer Lösung des Drogenproblems kommt man mit solchen Aktionen natürlich keinen Schritt näher. Geschlagen werden die kleinen Bauern, an die großen Fische des internationalen Drogenhandels kommt man ohnehin nicht heran. Oft steckt man mit ihnen sogar unter einer Decke. In fast allen Regierungen hat es „Narko-Connections“ gegeben. Das wissen auch die Koka-Bauern. Ist es verwerflich, daß sie, die ja schließlich ein ganz normales (und traditionelles) Produkt herstellen, auch einen kleinen Teil des Kuchens wollen, dessen größten Teil sich internationale Verbrecherbanden (und geschmierte Politiker) einstecken? Die cocaleros von Bolivien wollen nur überleben. Niemand würde auf die Idee kommen, die deutschen Weinbauern zu drangsalieren, weil es das Problem des Alkoholismus gibt.
In Bolivien zeigt sich wieder einmal, daß das Problem des Drogenhandels nicht auf der Produzentenseite gelöst werden kann. Und mehr: daß die Illegalisierung des Anbaus nur zur Destabilisierung der jeweiligen Länder führt. Es ist zu hoffen, daß die seit einem Jahr amtierende Regierung Sánchez de Lozada in der Auseinandersetzung mit den cocaleros nicht zu Verletzungen der Menschenrechte greift. Dann hätte die Verlogenheit des Antidrogenkampfes wieder einen neuen traurigen Präzedenzfall. Die cocaleros sind Opfer einer internationalen Politik der Augenwischerei, die die Schuld des Drogenkonsums in den reichen Ländern auf die ärmsten der Armen abschiebt. Thomas Pampuch
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