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Bodo Ramelow über linke Parteikultur"Wir haben kein Zentrum"

Bodo Ramelow verteidigt seinen arg gescholtenen Parteifreund Dietmar Bartsch. Nicht der Bundesgeschäftsführer sei das Problem, sondern der Umgang innerhalb der Partei.

"Wem ist der Bundesgeschäftsführer am meisten verpflichtet - dem Vorsitzenden oder der Partei?" Bild: dpa
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

Herr Ramelow, Gregor Gysi hat Bundesgeschäftsführer Bartsch öffentlich illoyales Verhalten gegenüber Lafontaine vorgeworden. War das in Ordnung?

Bodo Ramelow: Nein. Selbst wenn der Vorwurf stimmt, muss das intern geklärt werden und nicht in der Öffentlichkeit. Der Ort war falsch.

War Bartsch denn illoyal?

Das kann ich nicht einschätzen.

Worum geht es bei diesem Konflikt eigentlich im Kern?

Ich glaube, hier kollidieren zwei verschiedene Parteikulturen. Die frühere PDS hatte als Reflex auf die zentralistische SED einen anderen Führungs-Stil als etwa die SPD oder die IG Metall. Dieser Zwist fokussiert sich auch auf die Frage, welche Rolle ein Bundesgeschäftsführer spielt: Wem ist er am meisten verpflichtet - dem Vorsitzenden oder der Partei? Es geht um eine Frage der Parteikultur. Das ist seit der Vereinigung noch nicht ausreichend diskutiert worden.

BODO RAMELOW

Der 53-Jährige ist seit 2009 - wie zuvor von 2001 bis 2005 - Fraktionschef der Linken im thüringischen Landtag. Bis 2009 saß er vier Jahre im Bundestag.

Der Gewerkschafter Klaus Ernst hat Bartsch als "Problem" bezeichnet, "das man lösen muss". Ist sein Rücktritt nur noch eine Zeitfrage?

Ich hoffe, dass Dietmar Barsch sich jetzt nicht genötigt sieht zurückzutreten. Mein Vertrauen als Bundesgeschäftsführer hat er. Aber was Ernst sagt, zeigt die sehr spezifische, zentralistische Denkstruktur der IG Metall. Die PDS war da anders. Personen zu opfern, ist immer nur eine Scheinlösungen: Wann wird das nächste Opfer benötigt? So kommt man nicht weiter. Wir müssen rational unsere inhaltlichen Unterschiede klären. Außerdem geht es ja auch anders. Das hat die letzte Bundestagsfraktion gezeigt, in der verschiedene Leute, Klaus Ernst, Ulrich Maurer und auch ich, sich informell verständigt haben. Das hat sehr gut funktioniert.

Also ist doch Lafontaines Führungsstil das Problem?

Nein. Er ist schlicht und einfach krank. Und er braucht Zeit, um sich zu entscheiden, ob und wann er wieder einsteigt.

Gysi beklagt, dass die Partei kein Zentrum hat, sondern nur Flügel. Hat er Recht?

Naja, das ist eine Art sich selbst erfüllender Prophezeihung. Wer hat denn den Laden in der letzten Zeit zusammengehalten und geführt? Das war Dietmar Bartsch, der jetzt an allem Schuld sein soll und öffentlich gerüffelt wird. Es stimmt, dass die Linkspartei unter Führungsschwäche leidet. Aber warum? Ein paar Genossen aus dem Westen haben sich per Brief bei dem Fraktionsvorsitzenden Gysi über Bartsch beklagt. Der Parteivorsitzende Lothar Bisky und die Stellvertreter kennen anscheinend diese Briefe gar nicht. Kein Wunder, dass die Partei kein Zentrum hat, wenn zentrale Dinge an den gewählten Funktionsträgern vorbei laufen und diese dann als Zuschauer im Saal sitzen, wie am Montag geschehen. Ich hoffe, so etwas wiederholt sich nie mehr.

Wie geht es jetzt weiter?

Ich glaube, dass diese destruktive Form der Auseinandersetzung viel mit Männlichkeitsgebaren zu tun hat. Und ich werde daraus die Konsequenz ziehen, mich selber rausnehmen und vorschlagen, dass künftig ausschließlich Frauen Thüringen im Parteivorstand vertreten. Wir brauchen mehr weiblichen Führungsstil.

Kann es sein, dass die Linkspartei wieder in ihre Bestandteile zerfällt - PDS und WASG?

Nein. Es gibt längst eine stabile Kommunikation zwischen Ost und West. Wir werden aus Thüringen den Genossen in Rheinland-Pfalz beim Wahlkampf helfen. Mit den Hessen machen wir schon seit längerem gemeinsame Sitzungen. Im Alltag läuft das längst ganz gut.

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9 Kommentare

 / 
  • M
    Marxist

    Als Mitglied der LINKEN empfinde ich es als besonders unwürdig, wie hier eine Kampagne gegen Dietmar Bartsch initiiert wurde und nun leider zu einer Nichtwiederkandidatur führt.

    Die Sache zwischen Lafo und Sahra war in der Partei ein offenes Geheimnis, dass auch schon vor dem SPIEGEL bekannt war.

    Schlimm, dass Gregor dem antiemanzipatorischen und vulgärmarxistischen Flügel auf den Leim gegangen ist.

  • R
    rugero

    In Berlin liefert eine CDU - FDP-Koalition seit Anbeginn Steilvorlagen für die Opposition, aber die hat nichts besseres zu tun als sich (LINKE wie SPD) mit sich selber zu beschaftigen und zwischendurch laue Kommentare abzugeben.

     

    Kein Wunder, daß Frau Merkel sich durch ihre Koalitionsprobleme schweigen kann. Sie hat keine politschen Gegner mehr zu fürchten - ganz gleich wieviel Blödsinn ihre Koalition verzapft; eine Ablösung ist nicht in Sicht.

  • DN
    Dr. No

    @Martin: Danke für das Lob.

    Vielleicht liest es ja ein Linken-Mitglied und gibt es weiter. Ich selbst bin nicht bei der Linkspartei oder sonst einer anderen Partei. Aber für mich ist seit einigen Jahren die Linkspartei die einzige, die glaubwürdig ist. Gestern abend habe ich mir das Video der Rede von Gysi von www.linksfraktion.de heruntergeladen. Sie ist zwar lang, aber hervorragend: Souverän, rhetorisch glänzend und trotzdem nicht ohne Selbstironie und Humor. Gregor Gysi hat da alles gesagt, was zu tun ist. Es ist nur sehr interessant, die Rede mit der Berichterstattung in den Mainstream-Medien zu vergleichen.

  • OI
    Otto Ingo Kern

    als ehemaliger Metaller und ehemaliges DKP-Mitglied, das nicht alles vergessen hat, was es einmal gelernt hat, teile ich die Auffassung, dass man organisationsinterne Probleme nicht in gegnerischen Medien austragen soll. Natürlich ist es schwierig für eine Partei, die im Osten zwischen 20 und 30% der Stimmen erzielt und im Westen zwischen 5 und 10% eine einheitliche politische Linie zu entwickeln, dennoch ist dies unabdingbar eine einheitliche Strategie zu entwickeln.

     

    Das Problem, das ich sehe ist allerdings, dass die Führungsleute aus dem Osten, von Ausnahmen abgesehen, in zwar psychologisch verständlicher Weise auf den überzogenen, leider mehr bürokratischen als demokratischen Zentralismus der SED reagieren, dies aber leider mit einer politisch zentristischen, wenn nicht gar rechtssozialdemokratischen Position verbinden.

     

    Hinzu kommt ein weiteres: Vor allem denjenigen Parlamentariern, die aus dem Osten kommen, ging es materiell noch nie so gut wie jetzt. Das politische "Korruptionspotential" ist also enorm. Dass man sich diesen Wohlstand erhalten will, ist menschlich verständlich, aber keine Motivation, um eine konsequente Politik im Interesse der Arbeiterklasse und der objektiv antimonopolistischen Volksschichten zu machen.

     

    Ich hoffe, dass in der innerparteiliche Diskussion auch thematisiert wird, dass die gut bezahlten Parlamentarier in den eigenen Reihen auch der Gefahr unterliegen, dass ihr gesellschaftliche Sein ihr Bewußtsein determinieren kann.

     

    Otto Kern

    Diplomkaufmann

    34712 Herzberg-die Esperantostadt

  • K
    Kommentator

    @ Bodo Ramelow:

     

    "Die frühere PDS hatte als Reflex auf die zentralistische SED einen anderen Führungs-Stil als etwa die SPD oder die IG Metall."

     

    Und somit diagnostizieren sie "Führungsschwäche".

     

     

    Oh, toll, dann ist DIE LINKE also gar nicht (basis-)demokratisch?

     

    Haut mich jetzt zwar nicht vom Hocker bei so vielen autoritären Gewerkschaftern, SED- und MFS-Onkels und neueren Machtmenschen.

     

    1. Aber warum tritt man dann für die Demokratisierung der BRD ein, wenn man sowas noch nicht mal parteiintern schafft?

     

    2. Warum läuft man auf der Freiheit-statt-Angst-Demo mit und ist antiautoritärer als die Piratenpartei in ihrer Rhetorik?

     

    Ihr braucht nicht bessere "Führung", sondern Demokratie - und damit nicht zuletzt Glaubwürdigkeit!

     

    Kapiert es endlich, sonst werdet ihr im linken Lager keine Sau mehr zur Urne locken.

     

    Antiautoritäre Grüße,

    Kommentator.

  • M
    Martin

    @ Dr. No: das, was Sie schreiben, sollte man an alle linken Landesverbände verschicken. Warum? Weil es um die Inhalte gehen sollte, für die die Linkspartei steht, nicht um Personen, aber die Medien genau das Gegenteil produzieren wollen. Gestern gab es im WDR ein langes Interview mit dem NRW-Landesvorsitzenden Zimmermann, der sich immer wieder zu Bartsch äußern sollte, der sagte, dass Bartsch demokratisch gewählt wurde und dass er mit ihm wie mit jedem demokratisch gewählten Vertreter zusammenarbeitet. Nach Drängen: Bartsch müsse selber wissen, ob er zurücktritt. Das Ergebnis: der WDR meldete, Zimmermann hätte den Rücktritt von Bartsch gefordert! Das sind die Methoden von Journalisten nach dem Motto: was interessiert uns das Programm, was interessiert uns die politische Arbeit, wir wollen Zoff, Sex und gegenseitige Demontage. Der eine soll dann etwas über den anderen sagen oder etwas über einen dritten, der etwas über den zweiten sagte, was aber auch nur medial produziert wurde. Da fragt man sich: was soll das? Ein komplettes Nachrichtengebäude als Produkt der Journaille.

  • DN
    Dr. No

    Ob links ob rechts: Das wichtigste ist Vertrauen. Und das zweitwichtigste ist Vorsicht, ganz besonders wenn man Linkspartei ist.

     

    Beides hat gelitten. In diesem Fall hilft nur eines: Schnauze halten. Gysi hat sehr zu Recht Bartsch die Leviten gelesen. Es geht nicht um links oder rechts sondern um Glaubwürdigkeit und Geschlossenheit. Über Sachthemen kann (und soll) man sich streiten bis aufs Blut, das gehört nicht nur dazu, das ist sogar lebensnotwendig. Aber der Personalhickhack muss sofort aufhören. Und das kann nur einer beenden: Gregor Gysi. Er gehört nämlich zu denjenigen, die sich bei aller Politisiereri seine Menschlichkeit bewahrt hat und trotzdem kraftvoll seine Meinung sagen kann.

     

    Hatte Lafontaine was mit Frau Wagenknecht? OGottogott. Ja und selbst wenn: Der Mann ist Vorsitzender der Linkspartei und nicht der Papst. Da ist ja die CSU schon weiter.

     

    Das letzte, was die Linkspartei jetzt braucht sind Interviews von Bartsch, Ramelow und Co, die auf dämlichste Weise idiotische Fehler mit politischen Ost/West Differenzen erläutern wollen. Aber komisch: Immer dann, wenn es Zoff gibt, beten taz und Rundschau zu Interviews, um die Linkspartei durch den Kakao zu ziehen. Fällt diesen eitlen Obermackern eigentlich nicht auf, dass sie nie gefragt werden, wenn es um Inhalte geht? Frau Käßmann ist gegen den Afghanistan Krieg. Wunderbar. Riesenmeldung. Nur: Seit wieviel Jahren sagt das die Linkspartei? Wann durfte zum letzten Mal ein führendes Mitglied der Linkspartei in einer großen Tageszeitung zu einem Sachthema Stellung beziehen? Aber bei Zoff stehen die Journalisten auf der Matte. Das ist ihr Job, aber man kann denen doch einen Korb geben. Gefälligkeiten hat die Presse der Linkspartei eh noch nie erwiesen. Deshalb schadet es nichts, ihnen die Tür vor der Nase zuzuschlagen.

     

    Herr Bartsch hatte gestern ein Interview mit der Rundschau. Nun muss man wissen: Seit Monaten hetzt die Rundschau in übelster Manier gegen die Linke, insbesondere auf Lafontaine. Beispiel gefällig: Als Neskovic als Ende letzten Jahres als Ausschussvorsitzender durchfiel, gab man den Linken selbst die Schuld. Die Rundschau bemerkte zu dem Thema: Der Parteivorsitzende Lafontaine fehlte bei der Abstimmung. Von Krebserkrankung kein Wort. "Das Geschäft der Linkspartei betreiben" so lautet ein typisches Schimpfwort dieser ach so seriösen Schmierfinken. Das letzte, was führenden Politiker der Linken jetzt tun sollten, ist der Frankfurter Rundschau, Spiegel online oder auch der taz zu diesem Thema Interviews zu geben.

  • US
    Uwe Sak

    Ja, Ramelow ist vor der Thüringen-SPD zu Kreuze gekrochen. Und dennoch hat er Recht: Gysi hätte die Kritk nicht an Bartsch in aller Öffentlichkeit breittreten sollen. Loyalität ist keine Einbahnstraße.

  • R
    richtigbissig

    Ramelow ist ein politisches Leichtgewicht, der das Anbiedern zur politischen Kultur erhebt. Realpolitik von Versagern im Osten kann nicht heißen, dass man beispielsweise Arbeitsplätz im öffentlichen Dienst abbaut, sondern beispielsweise auf Arbeitszeitverkürzungen baut.

     

    Es ist keine Frage von Ost und West, es ist die Frage, wie ein Politikangebot von Morgen wirklich aussieht!

     

    Herr Ramelow hat sich am Nasenring von der Matchie durch die politische Arena treiben lassen, wo war denn da polische Klasse zu sehen?

     

    Sie wollen auf Lafontaine und ggf. auch Gysi versichten, dann muss ich Ihnen politische Selbstmordgedanken unterstellen.

     

    LG