: Blut und Tränen fließen im Sudan
Gewalt in Sudans Hauptstadt Khartum nach dem Tod von Rebellenführer John Garang weitet sich aus. Wechselseitige Rachefeldzüge von Nord- und Südsudanesen fordern zahlreiche Opfer. SPLA-Rebellen bestätigen Salva Kiir als neuen Führer
VON DOMINIC JOHNSON
Die blutigen Unruhen, die am Montag nach dem Bekanntwerden des Todes von Rebellenführer John Garang in Sudan ausbrachen, dauern an. Nachdem am Montag in der Hauptstadt Khartum wütende Südsudanesen, die Garang für das Opfer eines Anschlags hielten, Nordsudanesen angegriffen hatten, kam es gestern Nachmittag zu Rachefeldzügen von arabischen Nordsudanesen an schwarzafrikanischen Südsudanesen. Unbestätigte Berichte sprachen für den gestrigen Tag von 30 Toten.
Bei der Gewalt am Montag war eine noch größere Zahl von Menschen getötet worden. Nachdem Sudans Regierung am Montagabend von 36 Toten gesprochen hatte, meldeten einige Nachrichtenagenturen auf der Grundlage der eingelieferten Leichen allein in zwei Krankenhäusern 42. Ein europäische Diplomat sagte allerdings gegenüber AFP, es sei davon auszugehen, „dass es in jedem Viertel von Khartum 20 bis 25 Tote gab“.
Die Regierung verhängte gestern erneut eine nächtliche Ausgangssperre über die Hauptstadt, wie bereits am Montagabend. Zuvor hatten Sicherheitskräfte und Panzer Stellung bezogen. Gegen die erneuten Ausschreitungen von gestern griffen die Soldaten zunächst offenbar nicht ein. „Die Araber greifen an, gehen in die Häuser und suchen Leute aus dem Süden“, berichtete William Ezekiel, Herausgeber der Zeitung Khartoum Monitor, gegenüber AP. „Es ist eine Reaktion auf die Reaktion vom Montag.“ Ein hochrangiger UN-Beamter sagte, wütende Südsudanesen aus Vertriebenenlagern am Stadtrand seien nun in Richtung der Stadt Omdurman unterwegs, die gegenüber von Khartum am anderen Nilufer liegt. „Die Situation wird religiös und das ist gefährlich“, sagte er.
John Garang, historischer Führer der südsudanesischen Rebellenbewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) und seit 9. Juli Vizepräsident des Sudan, war in der Nacht zum Sonntag beim Absturz seines Hubschraubers im Süden des Landes auf dem Rückflug aus Uganda ums Leben gekommen. Sein Tod war am Montagfrüh bekannt geworden.
Ugandas Präsident Yoweri Museveni, der Garang den verunglückten Militärhubschrauber zur Verfügung gestellt hatte, kündigte eine Untersuchung an und erklärte: „Wir haben eine gewisse fremde Regierung beauftragt, jede Form von Sabotage oder Terrorismus auszuschließen.“ Der Hubschrauber sei einer der modernsten des Landes gewesen, mit kürzlich erneuertem technischen Gerät, und seine Crew erfahren auch bei Nachtflügen in schlechtem Wetter über schwierigem Terrain.
Die SPLA kündigte an, John Garang solle am Samstag in Südsudans größter Stadt Juba beigesetzt werden. Die Bewegung bestätigte Garangs Stellvertreter Salva Kiir als neuen Führer. Er soll auch das der SPLA zustehende Amt des Vizepräsidenten in Khartum einnehmen. Ob Garangs jüngste, umstrittene Personalentscheidungen Bestand haben, blieb offen. Die US-Regierung entsandte zwei hochrangige Emissäre zu politischen Gesprächen nach Sudan.