: „Bloß keine Kinderlandverschickung“
■ Kinderschutzbund rät zum offenen Gespräch über Chemiewaffen
taz: Es gibt Eltern, die vorhaben, ihre Kinder aufs Land zu evakuieren, wenn die Chemiewaffen-Züge Bremen passieren. Was haltet Ihr davon?
Helmut Dachaler (Kinderschutzbund Bremen): Wenn Eltern bei uns anrufen, dann nehmen wir natürlich diese Ängste ernst, aber wir sagen nicht: „Bitte, Bremer Eltern, verlaßt an diesen Tagen Bremen.“ Wenn wir merken, daß es für die Eltern ein großes Bedürfnis ist, dann sagen wir: „O.k., finden wir gut. Wenn Sie die Möglichkeit haben, eine Woche zu verreisen — wunderbar, machen Sie's.“
Nun können ja normalerweise die Eltern nicht beide mitfahren. Da müssen doch die Kinder denken, ich werde evakuiert, aber meine Eltern sehe ich nicht wieder, wenn wirklich was passiert.
Ja, die Kinder nehmen das ernst, so wie es von den Eltern oder den Medien an sie herangetragen wird. Egal, wie man sich entscheidet — ob Wegfahren oder nicht — sollte man keinerlei Hysterie verbreiten und die Kinder nicht noch in neue Angstsituationen hineinstoßen, wenn man sagt: „Ihr müßt weg, aber Eure Eltern, tapfer wie sie sind, bleiben zu Hause“.
Und wenn Schulklassen ihre Evakuierung planen?
Wenn sich die Kinder bewußt dafür entscheiden, mit Schulkameraden wegzufahren, dann ist das doch wunderbar, dann können sie das auch ohne die Eltern machen. Aber wenn sie kleiner sind und es besteht ein sehr intensives Verhältnis, dann wäre es blöd, sie wegzuschicken.
Wir sind auf jeden Fall gegen eine breit organisierte Kinderlandverschickung. Das führt nur zu Hysterie.
Es gibt ja auch Kinder, die ihre Eltern auffordern, mit ihnen zusammen wegzufahren.
Dann muß man erstmal ein ganz offenes Gespräch mit den Kindern führen. Man muß erstmal sagen, daß man furchtbar erleichtert ist, daß dieses Giftgas-Zeug erstmal aus der Bundesrepublik verschwindet und daß im großen und ganzen diese Transporte relativ gesichert sind. Aber wenn man die materiellen Möglichkeiten hat, dann sollte man auf die Ängste der Kinder auch eingehen. Es wäre auch falsch, wenn das Kind von sich aus das Thema anspricht, so zu regieren, daß man sagt: „Nein, du bleibst hier, da kann überhaupt nichts passieren.“ Auch das wäre eine Art von Unterdrückung, die wir nicht wollen. Fragen: ase
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