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Blockupy-Demonstrationen in FrankfurtFragmentierter Protest

Wegen der vielen Verbote kamen weniger Demonstranten als erwartet, sie besetzten zahlreiche Plätze und Kreuzungen. Polizei und Blockupisten sprechen von einem Erfolg.

Auch der Stoffhase ist mit dabei: Eine von vielen Mini-Protestaktionen am Freitag in Frankfurt. Bild: dapd

FRANKFURT/MAIN taz | Festgenommen, eingekesselt oder versprengt in kleinen Grüppchen – so verbrachten viele Blockupy-DemonstrantInnen in Frankfurt den Freitag. Die Polizei hatte die meisten geplanten Aktionen mit massiver Präsenz und Platzverboten in der Innenstadt seit den frühen Morgenstunden vereitelt.

Eigentlich hatten sich die KapitalismusgegnerInnen im Morgengrauen in fünf „Finger“ genannte Demonstrationszüge aufteilen und auf die Europäische Zentralbank (EZB) am Willy-Brandt-Platz zumarschieren wollen. Doch schon am Vorabend zeichnete sich ab: Es waren nicht genug Menschen nach Frankfurt gekommen, um sich gegen die Polizei durchzusetzen. Das Finger-Konzept wurde aufgegeben.

Gruppen von einigen hundert DemonstrantInnen, die sich am Morgen dennoch aufmachten, kamen nicht weit: Die Polizei, die auch mehrere Wasserwerfer aufgefahren hatte, kesselte sie ein und nahm rund 400 Personen fest. Begründung: Sie hätten gegen das von der Stadt Frankfurt erlassene allgemeine Versammlungsverbot verstoßen, so ein Polizeisprecher. Zudem hatten die Gerichte alle spontanen Kundgebungen untersagt.

Wer, was, wann, wo?

Das Bündnis: Blockupy setzt sich aus rund 20 Gruppen zusammen, darunter Die Linke, Attac, Ver.di und die Autonome Antifa.

Der Protest: Globalisierungskritiker demonstrieren vom 16. bis 19. Mai in Frankfurt gegen die europäische Krisenpolitik, die Macht der Banken und für mehr Demokratie. Die Stadt hatte Demonstrationen verboten und Platzverbote gegen mehr als 400 Personen ausgesprochen. Erlaubt ist allein eine Veranstaltung, die am Samstag um 12 Uhr am Baseler Platz startet. Die Veranstalter rechnen mit einer Teilnehmerzahl „im fünfstelligen Bereich“. Bis Freitag hatten sich zwischen 1.000 und 3.000 Menschen beteiligt.

Die Inhalte: In der Kritik stehen die Banken sowie die Europäische Krisenpolitik. Die europäischen Staaten hätten „kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmenproblem“, weil die Vermögenden verschont blieben. Immer wieder demonstrierten auch spontan Frankfurter Bürger für das Recht auf Versammlungsfreiheit. (mk)

Im Laufe des Tages zogen rund 1.500 DemonstrantInnen immer wieder in kleineren Zügen durch das Bahnhofsviertel, begleitet von einer Sambagruppe. Wiederholt besetzten sie Straßenkreuzungen oder Plätze, zogen sich aber zurück, sobald die Polizei begann, sie einkesseln. Bisweilen gelangten sie dabei in Sichtweite der abgeschotteten EZB, deren Betrieb jedoch ungestört blieb.

Versammlung vor der Deutschen Bank

Im Stadtteil Sachsenhausen versammelten sich am frühen Nachmittag für die Polizei überraschend etwa 200 Menschen vor einer Filiale der Deutschen Bank, um deren Geschäfte mit Ackerland und Nahrungsmittelspekulationen anzuprangern.

Bereits am Donnerstag war es einigen hundert DemonstrantInnen gelungen, am Frankfurter Rathaus etwa 30 Zelte aufzubauen. Nach ein paar Stunden räumte die Polizei den Platz unter Gewaltanwendung: Menschen wurden schreiend über den Boden geschleift, Hände verdreht. Eine ältere Frau lag fast regungslos da und wurde von Sanitätern behandelt.

Mit Polizeigriff abgeführt wurde auch Martin Kliehm, obwohl er sich als parlamentarischer Beobachter ausweisen konnte. Der 44-Jährige sitzt für die Piratenfraktion in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. „Das ist ein undemokratisches und total übertriebenes Verbot“, sagte er.

150 Festnahmen am Uni-Campus

Zuvor waren rund 150 Menschen, darunter viele AktivistInnen aus Italien, am Uni-Campus Bockenheim festgenommen worden. Einer von ihnen, ein Marburger namens Hanno, sagte: „Ich habe die Entdemokratisierung, gegen die wir demonstrieren wollen, am eigenen Leibe erfahren.“ Die Polizei bewertet den Einsatz bis Freitagnachmittag als „insgesamt friedlich“.

Der Ermittlungsausschuss der DemonstrantInnen beklagte, dass „pauschale Platzverweise bis Sonntag“ verhängt worden seien, obwohl die Demo am Samstag genehmigt ist. Auch die evangelische Kirche in Frankfurt kritisierte das Vorgehen der Behörden: „Die Furcht vor Ausschreitungen darf nicht zum Anlass genommen werden, die berechtigten Anliegen der Bewegung zu diskreditieren.“ Als Beitrag zur „Deeskalation“ wurden die evangelischen Kirchen in der Innenstadt für die Menschen geöffnet.

Die OrganisatorInnen sprachen trotz der geringen Beteiligung von erfolgreichen Aktionstagen. Den Versuchen der Behörden, die Aktionen im Keim zu ersticken, hätten die DemonstrantInnen eine „konsequent demokratische Haltung und Mut entgegen gesetzt“, sagte Bündnissprecher Werner Rätz. Dennoch habe die Polizeitaktik Folgen: Während vor einem Monat noch etwa 40.000 Teilnehmerinnen für die Demo am Samstag erwartet wurden, „rechnen wir eher mit bis zu 20.000 Menschen.“ Das „Abschreckungsszenario“ habe viele Menschen vom Protest abgehalten, glaubt Rätz.

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10 Kommentare

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  • M
    Mary

    Ich war gestern in Frankfurt. Die massive Polizeipräsenz machte es denjenigen, die nicht im Demozug waren fast unmöglich zur Abschlusskundgebung zu kommen. Man wurde als Fussgänger km-weit umgeleitet. Die grünen Stadtdezernenten schweigen sich aus, keine Grüne Jugend o.ä. beteiligte sich an der Demo. Nach dem Versagen in Sachen Fluglärm und Oberbürgermeisterwahl ist das nun schon der dritte große Kotau vor den Wirtschaftsbossen und schwarzen CDU-Granden, den die Frankfurter Apparatschik-Grünen, deren Namen keiner mehr kennt, vollziehen. Das wird Folgen haben.

  • A
    Anna

    Wenn in Deutschland tausende demonstrieren und gewaltsam weggesperrt werden ist das den meisten Zeitungen nicht mal eine Notiz wert. Auch bei der Taz komischerweise nicht an erster Stelle und mit mehr Information. Viele Weitere Demonstrationen in vielen Städten, die regelmäßig stattfinden werden totgeschwiegen. Wasserwerfer sind jetzt wohl normal sein Stuttgart 21.

    Aber: man kann alle Blumen ausreißen, aber den Frühling kann man trotzdem nicht stoppen ... Es ist hoffentlich bald vorbei mit den verbrecherischen Nahrungsspekulationen und vielen weiteren verbrecherischen Taten, durch unsere Regierung auch noch geschützt.

  • V
    verwunderter

    Hallo taz!

    was ist los?wo sind eure aktuellen berichte?

  • S
    Scharlie

    Na, da knnen wir uns doch freuen, dass wir jetzt auch voll die lupenreine Demokratie wie in Russland bekommen haben.

  • H
    h.morun

    was in diesem unseren Lande legal ist- kann immer mehr angezweifelt werden. Mit Polizeigewalt werden Grundrechte ausgehebelt und unterdrückt. Freie Demonstrationen gegen die Bankenmacht werden unterdrückt. Aber die Verbrechen der Banken werden noch mit Steuergeldern finanziert. Derweil reist Lady Merkel die 1. durch die Welt und zeigt mit dem Finger auf Menschenrechtsverletzer- ein Hohn.

  • D
    Desconocido

    Die Gerichte und die Polizei hatten durchschlagenden Erfolg!

    Sie haben wichtige Grundrechte kastriert, das Grundgesetz mit Füßen getreten und einen Prezedenzfall geschaffen der in Zukunft sicherlich wiederholt werden wird. Ich habe Angst um unser Republik wenn dieses Handeln schule macht. Besonders mein bisheriges Vertrauen in unser Verfassungsgericht ist nachhaltig beschädigt.

    Ich frage mich jedenfalls wer in Deutschland solch eine Macht hat um sowas durchzusetzen und erwarte für die Zukunft die selben Russischen Verhältnisse, wie wir sie dieses Wochenende in Frankfurt erleben, noch desöfteren.

  • WR
    Weiße Rose

    Soviel also zur Demonstrationsfreiheit in der BRD...

    Sie verkommt zur reinen Farce. Wenn es um die Zentren der Banken&Bananenrepublik Deutschland geht, versteht die Staatsmacht keinen Spaß - Ganz im Gegensatz zu deutschlandweiten, gern genehmigten Naziaufmärschen.

    Einmal mehr schimmert die alte hässliche Fratze durch.

    Es bleibt wenig Hoffnung auf Besserung. Die mächtigen Bankenkartelle würden - ohne mit der Wimper zu zucken - die Zukunft selbst ihrer eigenen Kinder, zur raschen Befriedigung ihrer grenzenlosen Gier, verhökern!

  • S
    swilly

    Werden die Büttel der Finanzdiktatur eigentlich anteilig am Gewinn beteiligt, wenn sie so "aufopferungsvoll" die Demonstrationsverbote in Frankfurt durchsetzen und dabei Einige offensichtlich ihren persönlichen Sadismus ausleben? Videos davon gibt´s ja bei youtube inzwischen genug.

     

    Oder werden die ausschließlich vom Steuerzahler bezahlt, wenn sie ohne Not Gewalt gegen friedliche Demonstranten im Interesse der Zocker und Spekulanten einsetzen? Nur mal so als Frage!

  • BS
    Berthold Sonnemann

    Solange, wie kürzlich in NRW, die Sozahl-Populisten Debitanistans (wie ich die "kraftigen" Buchstaben S, P und D bestimmen möchte) locker eine Mehrheit bekommen, werden sich die Blockupierer leider schwer tun.

     

    Das ist so, wie wenn Leute gegen AKWs demonstrieren, aber zu faul sind, die Wäsche zum Trocknen auf die Leine zu hängen, sondern den E-Trockner nehmen.

     

    Über verschwenderische Leute, die, statt in die heimische Wirtschaft zu investieren, zum Eis-Essen schnell mal nach Venedig düsen, können sich die Bankster freuen, über die Blockupierer entsprechend lachen. Wer zu dumm ist, solide zu denken und zu handeln, den bestraft das Leben. Weil die Dummheit in wirtschaftlichen Fragen so groß ist, verarmen immer mehr Menschen. Das Geld fließt in den Nahen und Fernen Osten - und weg ist es. So wird aus Demokratie Demokratur.

     

    Schön wäre es, wenn wenigsten die Blockupierer das entflohene Geld zurückholen würden...

  • S
    Snoopy

    Ich möchte an dieser Stelle den Verantwortlichen bei der Poliei meinen Dank für die erfolgreiche Blockade der Franfurter Innenstadt aussprechen. Könnten sie nicht auch mal den Folterlärm erzeugenden Flughafen für ein paar Tage lahmlegen?

     

    Und dabei wude gleichzeitug noch dem schnarchigsten Teutonen deutlich vor Augen geführt, wo es lang geht in der Merkelschen Diktatur!

     

    Komisch das laut Pressemeldungen die Wohnungseibrüche und sonstiger "normaler" Vandalismus zunehmen. Naja die Polizei wird ja anderortens dringend gebraucht nicht wahr.