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Bitte verhindern -betr.: Gewobaverkauf

Betr.: Gewoba-Verkauf

Sehr geehrter Herr Nölle,

die „Interinstitutionelle Arbeitsgruppe Lüssum“ ist ein Zusammenschluß von verschiedenen staatlichen, kirchlichen und freien Trägern, die in Lüssum auf sozialem Gebiet tätig sind. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist das GeWoBa-Wohngebiet Lüssumer Ring/Lämmerweg mit insgesamt 866 Wohneinheiten. Wie Sie sicher wissen, ist dieses Gebiet einer der sozialen Brennpunkte in Bremen.

Auf unserer letzten Sitzung haben wir uns eingehend und in großer Sorge mit der Diskussion über einen möglichen Verkauf der GeWoBa durch die Stadt Bremen befaßt. Wir wissen um die angespannte Finanzlage unserer Stadt. Wir bitten Sie trotzdem dringend darum, die der Stadt Bremen gehörenden Anteile an der GeWoBa nicht zu verkaufen, und zwar aus folgendem Grund:

1. Die jetzt der GeWoBa gehörenden Wohnungen in Lüssum waren viele Jahre privates Eigentum sog. „Fondeigner“. Verschiedene, häufig wechselnde Wohnungsbaugesellschaften, zuletzt die GeWoBa, haben im Auftrag der Eigentümer lediglich die Verwaltung der Wohnungen übernommen. Da die Eigentümer nicht bereit waren, sich finanziell zu engagieren, ist dieses Wohngebiet im Laufe der Jahre in schlimmer Weise heruntergekommen und verslumt. Die Verwalter waren nicht bereit, Eigenmittel einzusetzen.

In jahrelangen Bemühungen unsererseits, an denen auch die damalige Bausenatorin und das Amt für Wohnung und Städtebauförderung hilfreich beteiligt waren und die seit 1990 tatkräftig durch das Nachbesserungsprojekt (Kooperation von Bau- und Sozialressort) unterstützt wurden, ist es schließlich gelungen, die Fondseigner zum Verkauf ihrer Anteile zu bewegen und die GeWoBa als Eigentümerin zu gewinnen.

Seitdem verändert sich hier vieles zum Guten. Die GeWoBa investiert z.Zt. über 20 Mllionen Mark Eigenmittel, um dieses Wohngebiet zu sanieren. Im Fall eines Verkaufes der Gesellschaft wird das mühsam Erreichte mit großer Wahrscheinlichkeit vernichtet. Es ist nicht zu erwarten, daß ein Käufer sich hier ähnlich engagieren wird. Er wird verständlicherweise primär daran interessiert sein, daß sein eingesetztes Kapital angemessen verzinst wird.

2. In die derzeitige Sanierung unseres Wohngebietes fließen zusätzlich Städtebauförderungsmittel in Höhe von über 5 Mllionen Mark. Das wurde erst möglich, als die GeWoBa Eigentümerin wurde und sich bereit erklärte, die an die Vergabe dieser Mittel gebundenen Eigenmittel bereitzustellen. Die vorherigen privaten Eigentümer waren dazu nicht zu bewegen.

Viele Nordbremer Betriebe haben durch das jetzt zur Verfügung stehende Investitionsvolumen von über 25 Millionen Mark über Jahre hinaus Aufträge. Arbeitsplätze bleiben so erhalten.

Wenn durch den Verkauf der GeWoBa diese Mittel nicht mehr fließen, kostet das Arbeitsplätze und zwar in einer Region, die ohnehin schon überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen ist.

3. Auf einen nicht unerheblichen Teil der hiesigen GeWoBa-Wohnungen hat die Wohnungshilfe Zugriff. Im Falle eines Verkaufes der GeWoBa müßte die Wohnungshilfe womöglich zu wesentlich höheren Kosten Wohnungen anmieten. Das würde den Bremer Haushalt zusätzlich belasten.

4. Solange die Stadt de facto durch die GeWoBa Eigentümerin von Wohnanlagen bleibt, ist sie in der Lage, den vielen einkommensschwachen Mieterinnen und Mietern preiswerten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Wenn diese Wohnungen verkauft sind, muß die Stadt diesen Mietern wesentlich teurere Subventionen aus dem Sozialhaushalt bezahlen, die dann privaten Eigentümern zufließen. Das dürfte sich auf die Dauer nicht rechnen.

5. Die GeWoBa wird in Kürze verschiedenen Mietem ihre Wohnungen zum Kauf anbieten. Der Verkaufserlös wird von der GeWoBa z.Zt. für Sanierungsausgaben verwendet. Dadurch wird wiederum Arbeit geschaffen. Ein privater Käufer wird vermutlich nicht so handeln.

6. Vor der letzten Bürgerschaftswahl hat der damalige Bürgermeister, Klaus Wedemeier, hier in Lüssum persönlich versprochen, daß er und die SPD es nicht zulassen werden, daß die GeWoBa verkauft wird. Allen Haushalten ist das schriftlich mitgeteilt worden. Wenn jetzt anders gehandelt wird, wird Politik unglaubwürdig und die Politikverdrossenheit wird noch größer.

Der kurzfristige Nutzen, der durch einen Verkauf der GeWoBa zu erzielen ist, wird langfristig für unsere Stadt zu einem irreparablen Schaden werden. Eine soziale Stadtentwicklung, die Randgebiete mit einbezieht, würde dadurch unmöglich gemacht.

Bitte verhindern Sie das!

Claus Bulling, Pastor,

für die Interinstitutionelle Arbeitsgruppe Lüssum

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