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Bischof tobt, Schoppe lobt

■ Bewegung durch den Süssmuth-Vorschlag zum Paragraphen 218 / Politikerinnentreffen aus Ost und West

Berlin (taz) - Rita Süssmuths Vorstoß für einen „Dritten Weg“ zwischen Indikations- und Fristenregelung schafft neue politische Konstellationen: Die SPD-Politikerin Herta Däubler-Gmelin kündigte an, ihre Partei habe unter anderen die beiden Parlamentspräsidentinnen Rita Süssmuth und Sabine Bergmann-Pohl, Politikerinnen aus der Volkskammer und Ministerinnen aus den bundesdeutschen Ländern für kommenden Mittwoch nach Bonn eingeladen. Ziel sei eine gemeinsame Empfehlung an die Bundesregierung über alle Parteigrenzen hinweg.

Unterstützung bekam die Bundestagspräsidentin auch von der CSU-Abgeordneten Michaela Geiger. Sie sagte in einem Interview mit der 'Augsburger Allgemeinen‘, sie lehne zwar jede Abtreibung ab, aber leider habe sich herausgestellt, daß die Strafandrohung die Abtreibungszahlen nicht habe senken können. Süssmuths Modell sei ein „wichtiger Beitrag“ zur gegenwärtigen Diskussion. Süssmuth hatte vorgeschlagen, den Paragraphen 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen und statt dessen in einem umfassenden „Lebensschutzgesetz“ zu regeln. Strafbar soll der Abbruch nur noch ohne die vorgesehene Zwangsberatung sein.

Erzbischof Johannes Dyba aus Fulda forderte inzwischen den Rücktritt der Bundestagspräsidentin. Der als unversöhnlich bekannte Kirchenmann warf Süssmuth vor, sie habe „die Autorität ihres Amtes schwer mißbraucht“. In seinem Telegramm an Kohl heißt es, das Süssmuth-Modell sei „der heimtückische Versuch, unter Mißbrauch des christlichen Etiketts der Union die in der DDR geltende, noch aus der Ulbricht-Ära stammende Fristenregelung einzuführen“.

Süssmuth sprach sich inzwischen dafür aus, die Diskussion zu versachlichen, und begrüßte „uneingeschränkt“ die Stellungnahme des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Lehmann. Der Mainzer Bischof hatte die Fristenregelung als gesetzliche Grundlage in einem vereinten Deutschland abgelehnt. Das ungeborene Kind dürfe nicht für eine bestimmte Frist ohne strafrechtlichen Schutz sein. Die immer wiederholte Alternative - strafrechtlicher Schutz oder Hilfen für die werdende Mutter sei „grundfalsch“. Süssmuth beeilte sich klarzustellen, daß ihr Vorstoß in keinem Gegensatz zur Position des Mainzer Bischofs stehe. Das von ihr vorgelegte Konzept sehe einen umfassenden Ausbau dieser Hilfen vor, lasse das ungeborene Leben aber nicht ohne jeglichen strafrechtlichen Schutz.

Für die Einführung der Fristenregelung wie in der DDR sprach sich die niedersächsische Frauenministerin Waltraud Schoppe aus. Die Grünen-Politikerin begrüßte den Vorschlag von Süssmuth, Abtreibung künftig nicht mehr zu bestrafen. Schoppe ist allerdings gegen jeglichen Beratungszwang.

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