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■ Bill Clinton, die Nato, Osteuropa und RußlandDie Entscheidung steht noch aus

Ein neues Sicherheitssystem für Europa möchte US-Präsident Bill Clinton bauen – und bot für dieses virtuelle Gebäude in Brüssel auch gleich die Fertigteile an. „Partnerschaft für den Frieden“ soll der Bauplan heißen, der allerdings den Nachteil hat, daß er die Monteure über wesentliche Konstruktionselemente im unklaren läßt. Dies beginnt mit einer eindeutigen Definition des Begriffs Sicherheit. Clinton hat zwar darauf hingewiesen, daß der Handel zwischen Ost- und Westeuropa mit dem Ziel eines Abbaus des Wohlstandsgefälles dazugehört, doch beispielsweise die ökologische Dimension der Bewahrung menschlichen Lebens bleibt dagegen völlig unerwähnt.

Clinton knüpft mit seiner Metapher aus der Bauwirtschaft an Gorbatschows Bild des „europäischen Hauses“ an, geht jedoch, ohne es ausdrücklich zu sagen, davon aus, daß das Fundament die Nato in ihrer klassischen Formation sein soll. In dieser Logik verengt sich die Frage nach der Sicherheit Europas darauf, wie groß der Anbau wird, also ganz simpel formuliert: Wer wird noch Mitglied des Clubs? Clinton deutet an, daß die Nato jetzt, drei Jahre nach Auflösung der Sowjetunion, einen evolutionären Prozeß einleiten sollte, an dessen Ende das Bündnis mehr Mitglieder hätte als jetzt. Das Konzept Partnerschaft für den Frieden soll alle zufriedenstellen und bleibt deshalb für alle unbefriedigend. Das größte Problem an Clintons Drahtseilakt ist jedoch: In Anlehnung an die Zen-Weisheit „Der Weg ist das Ziel“, fehlt leider eine Bestimmung des Zieles völlig.

Der Grund dafür liegt in der Weigerung der USA aber auch anderer Nato-Länder, Jahre nach Beendigung des Kalten Krieges über eine substantielle Transformation der Nato zu diskutieren. In einem Spiegel-Interview bringt Nato-Generalsekretär Wörner diese Haltung auf den Punkt: Man könne, so sagt er, die Nato entweder dadurch ruinieren, daß man sie hindert, neue Aufgaben zu übernehmen, oder indem man sie in ein kollektives Sicherheitssystem umwandelt. Neue Aufgaben kann nach Lage der Dinge nur heißen: Einsätze außerhalb des Nato-Gebietes und die Absage an ein kollektives Sicherheitssystem als Bestandsgarantie für einen exklusiven Club.

In diesem Konzept stellt sich dann immer wieder die Frage, wer gehört dazu? Die osteuropäischen Staaten werden jetzt mit dem Risiko, sie innenpolitisch zu destabilisieren, noch aus dem Club herausgehalten, um Jelzins Kurs nicht zu gefährden. Warum sollte eine Aufnahme der baltischen Staaten, Polens, Tschechiens, der Slowakei und Ungarns für die russische Führung in zehn Jahren eher akzeptabel sein?

Der jetzige Zeitgewinn vertuscht nur, daß die eigentliche Entscheidung, um die man sich nicht herumdrücken kann, noch bevorsteht: Sicherheit mit oder gegen Rußland? Entweder Europa strebt ein Sicherheitssystem an, in das Rußland mit hineinpaßt – das würde eine Umwandlung der Nato in ein kollektives Sicherheitssystem voraussetzen –, oder der Westen wird in wenigen Jahren erneut seine Einflußzone in Abgrenzung zu Rußland definieren. Damit wäre dann eine neue Trennungslinie in Europa geschaffen, und die Nato hätte endlich wieder die Legitimation, die ihre Strategen jetzt so schmerzlich vermissen. Jürgen Gottschlich

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