Bildung ohne Projekt: Zurück zur alten Schule
Die Schulbehörde will den fächerübergreifenden Unterricht in Natur- und Gesellschaftswissenschaften abschaffen. Der Protest sei zu groß.
HAMBURG taz | Die Halbwertzeiten bildungspolitischer Neuerungen sind bekanntermaßen kurz – nun trifft es den vor zwei Jahren in Hamburg eingeführten fächerübergreifenden Unterricht in Natur- und Gesellschaftswissenschaften. Nach einem Bericht des NDR will die Schulbehörde zum Sommer hin wieder zum Einzelunterricht in den jeweiligen Fächern zurückkehren.
„Es gab große Proteste gegen den fächerübergreifenden Unterricht“, sagt der Sprecher der Behörde für Schule und Berufsbildung, Thomas Bressau. So hätten sich Eltern etwa Einzelnoten für Chemie, Physik oder Biologie statt einer Gesamtnote in Naturwissenschaften gewünscht. Zudem sei ein Lehrer für die Fächer Biologie und Sport nicht notwendigerweise kompetent für Fragen der Physik. Es habe außerdem „Anzeichen“ dafür gegeben, dass nicht alle Stadtteilschulen den fächerübergreifenden Unterricht in den Lernbereichen Naturwissenschaften und Gesellschaftswissenschaften eingeführt hätten.
In der CDU freut man sich über die Pläne der Schulbehörde. Damit werde ein Teil des CDU-Antrags zur Stärkung der Stadtteilschule umgesetzt, sagt ihr bildungspolitischer Sprecher Robert Heinemann. Dass der fächerübergreifende Unterricht vor zwei Jahren unter einem schwarz-grünen Senat eingeführt wurde, ficht ihn nicht an. „Das war die grüne Handschrift“, so Heinemann. Zwar gebe es viele Argumente für fächerübergreifendes Lernen, noch fehle den Lehrern aber die notwendige Ausbildung. „Das ist das eigentliche Problem“, so Heinemann.
Den fächerübergreifenden Unterricht hatte Hamburgs grüne Bildungssenatorin Christa Goetsch vor zwei Jahren eingeführt. Ziel war es, das problemorientierte Lernen zu fördern.
Zu Naturwissenschaften zusammengefasst wurden die Fächer Biologie, Chemie, Physik, Technik und Informatik. Themen wie Windenergie sollten aus allen Blickwinkeln untersucht werden.
Zu Gesellschaftswissenschaften verbunden wurden Geschichte, Geografie, Wirtschaft und Politik.
Eingeführt wurde der fachübergreifende Unterricht jedoch nur an den Stadtteilschulen, an den Gymnasien wurde weiter in den Einzeldisziplinen unterrichtet.
Weniger glücklich ist die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Stefanie von Berg. Für sie schüttet die Schulbehörde das Kind mit dem Bade aus. Der fächerübergreifende Unterricht sei an den Gymnasien wegen der dortigen Lobby – „es sind heilige Fächer“ – nicht eingeführt worden. Der Kritik der Stadtteilschul-Eltern, ihre Kinder seien nun gegenüber den Gymnasial-Schülern benachteiligt, weil ihre Noten weniger aufgeschlüsselt und daher nicht vergleichbar seien, habe die Schulbehörde selbst zu verantworten – schließlich habe die vor einem halben Jahr die Gesamtnote überhaupt erst eingeführt. Den fächerübergreifenden Unterricht nun ganz aufzugeben, sei „nicht nachvollziehbar“. Schließlich lernten die Kinder hier „problemorientiertes Denken“.
Von Berg schätzt, dass die Hälfte der Stadtteilschulen den fächerübergreifenden Unterricht eingeführt haben. Um eine Zwangsbeglückung könne es ohnehin nicht gehen – sondern darum, „Spielräume“ zu schaffen.
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