Bildung II: Kein Platz für eine Mensa
Die Neuköllner Karlsgarten Grundschule will Ganztagsschule werden, kann aber nicht: Es fehlt Platz. Die Schulleiterin schlägt vor, eine Sporthalle zur Mensa umzubauen.
Der Ganztagsschulbetrieb soll in Neukölln auf alle Grundschulen ausgeweitet werden. So zumindest haben es sich der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschowsky (SPD) und die Sozialdemokraten des Bezirks in ihrem Wahlprogramm auf die Fahnen geschrieben. Die Umsetzung geht allerdings schleppend voran. Von den 36 staatlichen Grundschulen in Neukölln sind gerade einmal acht gebundene Ganztagsschulen.
Zu dem erlesenen Kreis will auch die Karlsgarten Grundschule (KGG) gehören – es fehlt jedoch der Platz. Mitten im Schillerkiez, am Rande der Hasenheide, ist die Schule in einem modernen Neubau untergebracht, die großen Fenster lassen viel Licht in die Räume, der Pausenhof wirkt einladend. Wenig weist darauf hin, dass hier eine Brennpunktschule ihren Sitz hat, in der 50 Prozent der Eltern Sozialleistungen beziehen und 86 Prozent der Schüler Migrationshintergrund haben. „Natürlich wäre ein Ganztagsbetrieb hier gewünscht und sinnvoll“, sagt Schulleiterin Brigitte Unger der taz. Viele Kinder, die aus bildungsfernen Familien kämen, bräuchten eine intensivere Betreuung und Gemeinschaft.
Derselben Meinung sind Eltern, die sich in der 2011 gegründeten „Kiezschule für alle“ engagieren und sich für die Verbesserung mehrerer Schulen im Kiez starkmachen. Die meisten unter den rund 20 Aktiven sind Angestellte und Akademiker, die hergezogen sind, weil sie die Vorteile des Schillerkiezes schätzen: ein großer Park, zentrale Lage und bodenständiges Flair. Statt jedoch – wie es bislang viele Eltern taten – wegzuziehen, wenn der Nachwuchs ins schulfähige Alter kommt, wollen sie nun das Potenzial der Schule nutzen. Dafür arbeiten sie mit der KGG zusammen, hospitieren etwa dort und organisieren Veranstaltungen. Zwar, sagt Susann Worschech, Mitbegründerin der Elterninitiative, gebe es an der KGG bereits „motiviertes Lehrpersonal, kleine Klassen und schöne Räume.“ Dennoch: Den Eltern wäre es am liebsten, wenn die KGG einen Ganztagsbetrieb anbieten würde.
Den jedoch wird es vorerst nicht geben – obwohl auch Bildungsstadträtin Franziska Giffey (SPD) das eigentlich möchte. „Wir sind mehr als dafür, dort den gebundenen Ganztag einzurichten. Aber die zusätzlichen Räume stehen momentan nicht zur Verfügung“, sagt Giffey der taz. Im angrenzenden Gebäude der ehemaligen Kurt-Löwenstein-Schule stehen derzeit zwar Räume leer, weil die einstige Realschule mit einer Hauptschule fusionierte. Die Räume werden nach den Sommerferien jedoch als Filiale der Zuckmeyer-Oberschule benötigt, die ihren Hauptsitz in der Kopfstraße hat.
„Wir haben zwei Probleme“, sagt Giffey. Zum einen gebe es massive Zuzüge aus Osteuropa, sodass jeden Monat eine neue Schulklasse für Kinder aus Rumänien und Bulgarien eingerichtet werden müsse. Auch das binde räumliche Kapazitäten – und die Kinder warteten mitunter ohnehin Monate auf einen Schulplatz.
Zum anderen gibt es die sogenannten Rückläufer, also diejenigen, die das Probejahr am Gymnasium nicht bestanden haben und nun auf eine Sekundarschule wechseln müssen. Für das an diesem Montag beginnende Schuljahr meldet das Neuköllner Bezirksamt 116 betroffene Schüler. In Neukölln wird es deshalb vier Klassen nur für Rückläufer geben, da die bestehenden siebten und achten Klassen bereits ausgelastet sind. Zwei der Rückläuferklassen sollen in der Zuckmeyer-Oberschule aufgemacht werden – aber auch dort gibt es eben keinen Platz. „Wir haben keine andere Wahl. Da gibt es keine Debatte, ob das pädagogisch sinnvoll ist“, so Giffey.
Schulleiterin Brigitte Unger hat indes einen anderen Vorschlag, um doch noch eine Lösung zu finden: Eine auf dem Gelände liegende Sporthalle soll zur Mensa umgebaut werden. Die Halle werde jedoch noch von einem Sportverein genutzt, beschreibt Giffey diesen Interessenskonflikt. Die 1,7 Millionen Euro, die der Bezirk für den Ausbau des Ganztagbetriebes zurückgestellt hat, seien außerdem bereits anderweitig verplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft