Bildschnee: Das ewige Mitleid
■ taz-Mini-Serie: Lillehammer im Fernsehen (Teil 4)
Was macht Eiskunstlaufen erst schön? Wahrheitsforscher wie beispielsweise Psychologen haben's längst herausgefunden, ihre Befunde sind niederschmetternd: Wenn die Männer und Frauen stürzen, rieselt's dem Gros der TV-Gemeinde richtig schön den Rücken herunter. Wer hegte nicht heimliche Sympathien für die Amerikanerin Tonya Harding? Was hat sie schon anderes getan, als den Gedanken ihres Sports zu Ende zu denken? Zu gewinnen nämlich nach allen Regeln der Kunst?
Das ZDF hat bei der Paarlaufentscheidung wieder mal nur die besseren Charakteranteile in uns gefördert. Zu sehen gab es fast nur die vorderen Plätze, wichtiger waren einschläfernde Interviews und Moderationsfragmente von Dieter Kürten. Eurosport mit dem Kommentatorenduo Daniel Weiss (allzeit hysterisch) und Hans-Jürgen Bäumler stellten hingegen auch die niederen Chargen der Eislaufbranche vor. „Das war wirklich“ (Pause) „nichts“, ätzte Bäumler, während Christa Haas beim ZDF einmal mehr bewies, wie sehr Frauen ungeeignet sind, echte öffentliche Häme zu zeigen: Ihr ewiges Mitleid für die Patzenden ging mächtig auf die Nerven.
Weiss/Bäumler hatten freilich einen Aussetzer – beim Stolpersturz mit dem aufgeschlagenen Kinn des deutschen Paares Wötzel/Steuer: „Warum wiederholen sie den Sturz immer wieder, das tut doch nicht nötig“, laberten sie, als litten sie unter dem Ulrike-Maier-Syndrom. Im Gegenteil: Bei der Live-Einspielung war noch der Schreckensstöhner der Mandy Wötzel zu hören, bei den Wiederholungen nicht. Lustig wär's gewesen, geben wir's doch offen zu.
Schließlich der letztgültige Beweis, daß die beim ZDF nicht mehr alle Tassen im Schrank haben: Das Zweitschönste beim Eiskunstlaufen ist (s.o.) die Siegerehrung. Ein Meer von Tränen, feuchte Augen und freundliche Mienen der Silber- und Bronzegewinner, hinter denen nichts als Neid und Mißgunst stecken. Und die vom ZDF? Schalten um und ab. Keine Zeit für echte Gemütsregungen: So sind sie am Lerchenberg in Mainz, bei denen man ungemütlich in der zweiten Reihe hockt. Jan Feddersen
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