■ „Bild“- und Tierschutz: Nina Hagen macht Werbung: Heilig ist die Kuh, drum laß sie in Ruh
Berlin/Ibiza (taz) – Dem Bub soll es an nichts fehlen, und so macht sich Mutti die Finger klebrig. In Stöckel-Stilettos und einer Bluse von Alaia gießt die Frau ihrem Sohn handgepreßten Karottensaft in eine Nuckelflasche und sekundiert sachlichst: „Basically mach' ich jetzt fruit juice. Otis, da is your bottle.“ Diese Fabel- hafte Szene ereignete sich vor einem Jahr auf Ibiza, Sommer war's. Die Mutter heißt Nina Hagen, der Sohn Otis. Sie ist 40, er auch schon 4. Die Punk-Bombe mit Sitz in Los Angeles gibt sich öffentlich halt gern ökologisch aufbaubar.
Am vergangenen Wochenende zwängte sich Nina für ein halbstündiges Auftauchen im Bulettennebel eines Berliner Ku'damm-Cafés in pures Gummi und Kunstlack, da konnte ja nun wirklich niemand was gegen haben. Derart drapiert, diktierte die deutsche Diva den Hauptstadtjournalisten in den Block, sie fände es doof, Tiere zu quälen für Kosmetiktests. „Kampf Gillette“ haspelte sie augenberingt gegen „Tier-KZs“ jeder Art, als habe sie der auswendig gelernte Text in allerletzter Minute verlassen. Um ja nur ernst rüberzukommen, gab Nina „Nina unplugged“ zum besten. Die UFO-Phantastin schrammelte auf einer Baby-Gitarre und trällerte einen Refrain, zu dem auch der Bild-Reporter die Lippen bewegen konnte: „Heilig ist die Kuh, drum laß sie in Ruh.“ Nina, das vielseitig verwendbare Relikt, besorgte der US-Tierschützer-Clique „Peta“ den Auftakt einer Kampagne, die nun auch in Deutschland zum Boykott des Gillette-Konzerns aufruft. Gillette soll nach Recherchen der „People for the Ethical Treatment of Animals“ Tiere vergiften und blenden – wegen Rasierschaum und -klingen. Sogar Naomi Campbell findet „Peta“ gut und ließ sich fast nackt fotografieren: „Ich zeige lieber meine Haut als die toter Tiere.“ Warum also nun nicht auch Nina fürs hiesige Publikum?
Und so verriet Nina zwischen Öko-Burgern und Zimtkuchen erwartungsgemäß, daß sie „Peta“ total wichtig findet und zwei Katzen besitzt und eine Katzentür. Nina kennt auch Karl (Lagerfeld) und Vivienne (Westwood). Beide hätten ihr versprochen, daß in ihren Kollektionen nie wieder auch nur ein Fussel Fell auftauchen werde. So flockten aus Nina Sprechblasen in üblich demonstrativ antiautoritärem Gehabe („Langsam, aber sicher habe ich keine Lederprodukte mehr“), während Sohn Otis zu Tode gelangweilt an solarbetriebenen Parkautomaten daddelte.
Ach ja: Ihre nächste Platte wird übrigens „Schwere Geburt“ heißen, „weil das ganze Leben eine schwere Geburt ist“. Vielleicht stellt sich Nina auch deshalb nicht mehr die Frage nach ihrer Glaubwürdigkeit. Hat sie doch neben ihrem Tierschutz-Engagement kürzlich mit einem raffinierten Kinospot für die Bild-Zeitung geworben. Tiefe Stimme aus dem Off: „Wir fragten Nina Hagen, ob sie Werbung machen würde für die Bild-Zeitung.“ Empört kreischt die ebenfalls unsichtbare Lotterlady: „Wieso? Nein! Hilfe!“ Darauf die Bild-Stimme: „Dann sagten wir ihr, daß wir jede Meinung akzeptieren, wirklich jede.“ Sogleich erscheint die Sängerin auf der Leinwand und schreit: „Entweder wird Hanf angebaut, auf Ökopapier gedruckt, mit mir die Aids- Lüge entlarvt, oder euer Blatt ist und bleibt totale Scheiße.“ Aids- Lüge? Logo, daß die Hagen herausgefunden hat, daß der Saft von Pampelmusenkernen Aids heilen kann und es ganz schlimm ist, daß die Ärzteschaft, „total faschistisch drauf“, Quacksalber wie Prof. Duesberg nicht zu Wort kommen läßt.
Auf Nachfrage schnappt Nina ein. Der Bild-Spot sei Antiwerbung: „Und außerdem hab' ich Geld dafür bekommen.“ Thorsten Schmitz
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