Bewegung gegen CCS: Klimagas-Beerdigung beerdigt
Der Bundestag verabschiedet ein Gesetz, das Kohlendioxid-Verpressung im Boden (CCS) erlaubt. Dazu wird es kaum kommen: Die Bevölkerung will die Technik nicht.
BERLIN taz | Wenn gelb-schwarze Warnschilder Menschen mit Gasmasken zeigen und vor "Endlagerung" gewarnt wird, geht es für gewöhnlich um Atommüll. Die Symbolik haben Bürgerinitiativen in Schleswig-Holstein aufgegriffen – allerdings dreht es sich hier um CO2.
Am Donnerstag verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zum sogenannten CCS, einer Technik, mit der das Klimagas künftig in großem Stil bei der Verbrennung von Kohle und Gas abgetrennt und unter die Erde gepresst werden soll.
Doch ob das überhaupt funktioniert, ist umstritten. Daher soll das Gesetz nach langem Streit die Grundlage über weitere Forschungsprojekte an der Technik schaffen. Aber dazu wird es wohl zumindest in Deutschland nicht kommen: Vor allem Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) stemmt sich mit Blick auf die Ablehnung von CCS in der Bevölkerung und die kommenden Landtagswahlen gegen die CCS-Technik.
Schleswig-Holstein will CCS verhindern
Erst diese Woche warnten die Bürgerinitiativen in Schleswig-Holstein: Sollte das CCS-Gesetz mit Polizeigewalt angewendet werden, sei dies ein Fall, "wo Unrecht zu Recht und Widerstand zur Pflicht wird". Vermutlich wird es so weit nicht kommen. Das Gesetz erlaubt es Bundesländern de facto, Gebiete für CCS-Forschungsprojekte zu sperren. Schleswig-Holstein will sofort nach der Sommerpause ein Gesetz verabschieden, das CCS verhindern soll.
Das Bundesland verfügt über die größten potenziellen Lagerstätten in Deutschland - entweder alte Erdgaslager oder tiefe Sedimentschichten ab circa 800 Meter Tiefe, die mit Salzwasser gefüllt sind. Das rot-rot regierte Brandenburg ist zwar für eine Erprobung von CCS auf seinem Territorium - aber auch dort wehrt sich die betroffene Bevölkerung.
Vattenfall-Versuchsanlage bei Cottbus
Angesichts dieses Widerstandes zieht sich die Stromwirtschaft bereits zurück. In der Nähe der Stadt Cottbus läuft seit 2008 eine Vattenfall-Versuchsanlage. Allerdings wird das Gas dort nur abgetrennt, also nicht unter die Erde gepresst. Ein Demonstrationskraftwerk soll bis 2015 am Kraftwerk Jänschwalde entstehen, mit 250 Megawatt ein veritables Großkraftwerk. Es soll bis zu 1,5 Milliarden Euro kosten, davon 180 Millionen Euro EU-Fördermittel. Allerdings muss die Anlage bis 2016 laufen, sonst sind die Gelder aus Brüssel futsch. RWE hat seine Pläne in Deutschland bereits beerdigt - wegen mangelnder Akzeptanz.
Die Erforschung von CCS ist einer der wichtigen Pfeiler der Klimastrategie der EU. Deutschland setzt mit dem neuen Gesetz eine Richtlinie um - die allerdings auch die Möglichkeit vorsieht, dass Mitgliedsländer CCS auf ihrem Territorium verbieten. Auch international ist die Technik umstritten: In Dänemark musste Vattenfall in diesem Jahr ein Projekt wegen Widerständen aus der Bevölkerung abblasen. In Norwegen wurde ein CCS-Großprojekt wegen Gesundheitsrisiken durch die dort verwendete Technik abgesagt.
Grundwasserverseuchung
Kritiker fürchten vor allem, dass der Druck des Gases im Erdboden Salzwasser ins Grundwasser drücken und so verseuchen könnte - oder gar an die Oberfläche gelangt und dort Menschen und Tiere gefährdet. Zudem muss das CO2 aus den Kraftwerken aufwendig gereinigt werden. Das kostet viel Energie: Allein der Bedarf an Brennstoff in den Kraftwerken wird um bis zu 30 Prozent erhöht.
Für die Industrie allerdings könnte sich die Sache trotzdem lohnen: Wer in der EU CO2 in die Luft bläst, bekommt Emissionszertifikate kostenlos zugewiesen. Bei zu viel Verschmutzung müssen sie allerdings zugekauft werden. Das macht Kohlekraftwerke zunehmend teurer. Es sei denn, man presst die Klimagase unter die Erde. Oder investiert in alternative Energien, falls die Bevölkerung CCS ablehnt. Das schlägt ein von der Bundesregierung bereits im vergangenen Herbst in Auftrag gegebenes Gutachten vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste