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Archiv-Artikel

Beweg dich, Schätzchen!

Die Mode der Zukunft soll den Menschen nicht nur kleiden, sondern für ihn denken. Sie wird nicht mehr schön aussehen, aber funktional sein. Brauchen wir intelligente Klamotten?

von KATRIN KRUSE

Sie sitzen am Schreibtisch. Es zwickt Sie im Rücken. Das ist kein Schmerz. Es ist Ihr „free mover“. Sie haben sich fünf Minuten lang nicht im Lendenwirbelsäulenbereich bewegt. Sie haben drei Minuten lang mit Rundrücken gesessen. Das hat ihr Cybergürtel mittels Ultraschall registriert. Jetzt gibt er Ihnen „Biofeedback“.

Sieht so die Zukunft aus? Werden wir in fünf bis zehn Jahren als Cyborgs durch die Welt laufen, umhüllt von intelligentem Textil, durch wearables, also tragbare Computer, vernetzt? Das prognostiziert zumindest derzeit „i-Wear“, eine Modenschau für intelligente Bekleidung.

Die Jacke aus „Phase Change Materials“ etwa speichert Körperwärme und gibt sie bei Kälte wieder ab. Urprünglich wurde das Material für Raumfahrtanzüge eingesetzt, um Astronauten vor extremen Temperaturschwankungen zu schützen. Wer aber braucht das Kompensationstextil auf der Erde? Zum Bespiel der Anzugträger beim spontanen Waldlauf. Oder der durchschnittliche Verbraucher, dem bereits im mitteleuropäischen Klima unbehaglich ist: mal zu warm, mal zu kalt. Pullover an. Wieder aus. Wieder an.

Erst das fürsorgliche Textil schafft die Wohlfühlzone. Die Jacke stellt fest, ob ihm kalt ist, bevor er es selbst merkt. So ein komplettes Umsorgtwerden war bisher dem Säugling vorbehalten. Das intelligente Textil macht es für alle möglich. Es trainiert seinem Träger die körperlichen Grundfunktionen einfach ab. Brauchen wir, was wir können? Und wollen wir anziehen, was dabei herauskommt?

Mode, wir erinnern uns, das ist das Prinzip mit dem ästhetischen Mehrwert. Hier sind smart clothes unterversorgt. Kastige Formen, voluminöse Taschen und frische Farben in Bergsteigermanier: Die Textilien der Zukunft kommen so aufregend daher wie ein Trekking-Katalog. Bei den wearables hingegen dominiert silbriges Grau. Hier wird die funktionale Ästhetik der Neunzigerjahre ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt. Was damals Ornament war, bekommt Funktion: Tunnelzüge nehmen Kabel auf, unzählige Taschen das technische Zubehör. Nur: Die Formen der Neunzigerjahre mag niemand mehr sehen. Schließlich bedarf das Revival einer Form zumindest einer kurzen Phase des Demodé.

Was das funktionalistische Design hingegen noch immer signalisiert, ist Mobilität. Ihr Held ist der Fahrradkurier: Elektronisch vernetzt sitzt er auf seinem mechanischen Gefährt. Das Navigationssystem ist ergonomisch in die Kleidung integriert, textile Heiz-Pads wärmen ihm die Nieren. Je optimaler er allerdings elektronisch gesteuert navigiert, desto einfacher ist er zu überwachen. „A dress“ wird zu„adress“, zur Information über Wege und Aufenthalt. Sieht so wirklich die Zukunft aus? Kommt darauf an, welche Zukunft wir wollen. In Sachen Cybergürtel reicht vielleicht fürs Erste ein Zettel am PC: Schätzchen, beweg dich!