: Beuys Ex–Fettecke vor Gericht
■ Nach der Zerstörung der „Badewanne“ traf es nun die Butter an der Wand der Düsseldorfer Kunstakademie
Aus Düsseldorf Walter Jakobs
„Eine so schöne Klageschrift habe ich in meiner ganzen richterlichen Tätigkeit noch nicht gesehen. Ich wußte gar nicht, wie man das aktenmäßig behandelt.“ Richter Wolfgang Volker fand einen Weg, und Johannes Stüttgen konnte gegen das Land Nordrhein–Westfalen prozessieren. Rein stofflich geht der Streit um ein paar Kilo profaner Butter, die ein Angestellter der Düsseldorfer Kunstakademie von der Zimmerdecke abgenommen und im Mülleimer entsorgt hatte. Allein, der ahnungslose Mann beseitigte nicht einfach Fett, sondern er zerstörte vielmehr ein wertvolles Kunstwerk von Joseph Beuys. Zumindestens in diesem Punkt sind sich Johannes Stüttgen, Freund und Schüler Josef Beuys, das Gericht und die Vertreter des Landes einig. Entscheiden muß das Gericht, ob Stüttgen, wie behauptet, Eigentümer des Kunstwerkes war und ein Schadensersatz von 50.000 DM geltend machen kann. Für das Land bestritt Rechtsanwältin Renate Schwarz den Eigentumswechsel. Beuys habe die Fettecke speziell für diesen Raum erstellt, eine Eigentumsübergabe sei „gar nicht möglich“ gewesen. Um den „ideellen Ckarakter“ von Beuys Fett–Skulpturen, die „ihren Wert auch bei Verlagerung bewahren“ - so der Stüttgen–Anwalt Jürgen Binder - zu erfahren, hatte das Gericht eigens im Kunstmuseum die Ausstellung „Brennpunkt Düsseldorf“ be sucht. Dort ist eine Fettecke (Versicherungswert 170.000 DM), herausgelöst aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang, zu sehen. Der Kunstakademie hielt Anwalt Binder vor, sich das Kunstwerk erst dann zu eigen gemacht zu haben, als es um das Abwehren der Schadensersatzansprüche gegangen sei. Nach dem Tode von Beuys habe Stüttgen der Akademie die Fettecke als Leihgabe angeboten und auf die Sicherung des Kunstwerkes gedrängt. Doch die von Stüttgen in Auftrag gegebene Glasplatte lehnte die Akademie ab. Damalige Begründung: 1.149 DM seien dafür zu viel Geld. Die Argumentation der Landesanwältin Schwarz, die einerseits sagt, die Fettecke sei von Beuys für den Raum bestimmt worden, anderseits Stüttgen aber vorhält, sie nicht abgenommen zu haben, erregt die kundigen Prozeßbesucher. Das Anliegen von Beuys, so ein älterer Kunstfreund nach dem ersten Prozeßtag zur Anwältin, „haben Sie mit Füßen getreten“. Stüttgen habe ja die Fettecke gerade deshalb als Leihgabe in dem Raum belassen wollen, weil die „Fettecke als Energievorratssymbol“ eine „Sendefunktion“ für die Besucher des Raumes gehabt habe. „Er wollte eben nicht die Fettecke abnehmen und das Geld in die eigene Tasche stecken.“ Zumindestens der Putzmann hat diese Signale nicht empfangen. Mit dem Urteil über die Fettecke wird im Dezember gerechnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen