Bettina GausMacht : Maschinenpistolen gegen Bomben
Schwer bewaffnete Polizeibeamte auf Weihnachtsmärkten scheinen auf manche Bürger beruhigend zu wirken. Konzerne lassen sich lieber gleich gegen Terror versichern. Aufpassen schadet ja nicht
Ein bisschen fehl am Platz wirken diese Polizisten mit locker im Arm gehaltenen Maschinenpistolen ja schon zwischen Zimtsternen und Rauschgoldengeln auf dem Weihnachtsmarkt, aber wenn’s denn der Sicherheit dient, dann wird man sich auch an diesen Anblick gewöhnen.
Das Problem ist nur: Ich verstehe selbst nach langem Nachdenken noch immer nicht, wie martialisch bewaffnete Polizisten mich eigentlich vor Terroranschlägen schützen können – jedenfalls vor der Art von Anschlägen, die wir zu fürchten gelernt haben: nämlich Bomben. Oder liegen den Geheimdiensten inzwischen Erkenntnisse über einen Strategiewechsel gewaltbereiter Islamisten vor? Erwarten sie, dass zehn Gotteskrieger tückisch aus dem Hinterhalt den Glühweinstand stürmen? Dann könnten sich Maschinenpistolen vielleicht als nützlich erweisen. Bei den traditionelleren Formen von Attentaten kämen mir hingegen Rettungssanitäter sinnvoller vor.
Aber das ist ja nicht das Einzige, was ich im Zusammenhang mit diesem Thema nicht verstehe. Ich begreife durchaus die steigende Nervosität angesichts herrenloser Gepäckstücke, von denen einige ja auch schon gesprengt worden sind, und die Tatsache, dass sich bisher immer nur Socken und Zahnbürsten darin fanden, macht diese Vorsichtsmaßnahme ja nicht zwangsläufig überflüssig.
Aber wann ist ein Gepäckstück eigentlich herrenlos? Wenn auf der Ablage oben im ICE-Abteil eine Tasche steht, die sich niemandem zuordnen lässt, dann werfen sich Reisende inzwischen durchaus besorgte Blicke zu. Ich habe auch schon erlebt, dass ein besonders energischer Mann aufstand und alle Leute einzeln befragte, ob die Tasche ihnen gehörte. Da fühlt man sich gut beschützt, und alle lächeln erleichtert und etwas verlegen, wenn sich für das blöde Ding dann doch noch ein Besitzer oder eine Besitzerin findet. Kann ja nicht schaden, aufzupassen.
Bloß im Speisewagen, da passt nie jemand auf. Der schmale Stauraum an der Tür ist fast immer sofort voll, und kein Mensch kann wissen, wem die Koffer da eigentlich gehören. Macht aber nichts. Im Speisewagen ist das irgendwie egal, warum auch immer. Vielleicht beruhigt Essen und Trinken einfach. Und Terrorismus hat eben doch viel mit Psychologie zu tun.
Jedenfalls für die meisten Leute. Für eine Minderheit hingegen ist genau dieser psychologische Faktor ein sehr einträgliches Geschäft. Eine Kölner Versicherung mit dem sinnigen Namen Extremus freut sich derzeit über eine steigende Zahl von Kunden. Konzerne, Banken und Flughafengesellschaften gehören dazu – lauter Großunternehmen eben, die Anlass haben, sich vor Anschlägen zu fürchten. Wenn es dazu tatsächlich einmal kommt, dann zahlt Extremus für die Folgen. Bis zu einer Höhe von 2 Milliarden Euro. Immerhin. Das ist doch mal eine solide Deckungssumme.
Gegen alle Eventualitäten kann man sich allerdings auch bei Extremus nicht versichern. Zum Beispiel nicht gegen die Verseuchung durch Kernenergie. Das ließe sich ja gar nicht abschätzen, wie hoch ein solcher Schaden ausfallen könne, sagte jetzt ein ein Extremus-Vorstandsmitglied in einem Interview mit der Deutschen Welle. Recht hat der Mann. Kann er das nicht auch der deutschen Bundesregierung mal ausführlich erklären? Bisher scheint sie das ja nicht zu wissen.
■ Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz. Foto: A. Loisier