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Betriebe verzichten auf WeiterbildungElternzeit diskriminiert Frauen

Seit es drei Jahre Elternzeit gibt, haben sich die Karrierechancen junger Frauen allgemein verschlechtert, zeigt eine Untersuchung. Betriebe investieren nicht in ihre Weiterbildung.

Arbeitgeber schließen nicht nur Mütter von Angeboten zur Weiterbildung aus, sondern auch kinderlose Frauen im gebärfähigen Alter. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Arbeitgeber haben Recht behalten. Als CDU-Familienminister Heiner Geißler in den Achtzigern die Mütter mit einem neu konzipierten Erziehungsurlaub mit Jobgarantie beglückte, schüttelten die Herren vom Arbeitgeberverband die grauen Häupter: Niemand werde junge Frauen einstellen, die für Jahre ins heimische Kinderzimmer verschwänden. Geißler aber wollte Anerkennung für die Erziehungsleistung der Mütter (und auch möglicher Väter). Unter seinen Nachfolgerinnen wurde der Erziehungsurlaub sukzessive bis auf drei Jahre verlängert.

Jetzt bestätigt eine Studie, dass die Wirtschaft ganz ähnlich reagierte wie angekündigt. Patrick Puhani und Katja Sonderhof von der Universität Hannover analysierten die Auswirkungen des dreijährigen Erziehungsurlaubs auf die Weiterbildungsaktivitäten von Müttern und jungen Frauen ohne Kinder. Das Ergebnis: Beide Gruppen wurden erheblich weniger weitergebildet als ältere Frauen oder Männer. Arbeitgeber schließen also nicht nur Mütter von Angeboten zur Weiterbildung aus, sondern auch kinderlose Frauen im gebärfähigen Alter.

Die Studie ergibt, dass Unternehmen ihre Weiterbildungsangebote für junge Frauen um 30 bis 50 Prozent reduzierten, nachdem die Erziehungszeit-Regelung in Kraft trat. Die Mütter hatten nun also eine Arbeitsplatzgarantie, aber zugleich landeten sie fortan auf dem "Mommy-Track" der wenig karriereträchtigen Posten - und landen dort weiterhin. Die Regelung strahlt offenbar auf alle anderen jungen Frauen aus und ist damit einer der Bausteine dafür, dass Deutschland im internationalen Vergleich wenig Frauen in Führungsposten und eine der größten Lücken zwischen Männer- und Frauenlöhnen hat.

"Das Verhalten vieler Arbeitgeber ist aus ökonomischer Sicht rational, denn sie wollen nicht in Arbeitnehmer investieren, die die Möglichkeit haben, drei Jahre lang den Arbeitsplatz zu verlassen", meint Studienautor Puhani. Er plädiert dafür, die Erziehungszeit generell zu verkürzen und dafür die Kinderbetreuung auszubauen, wie es etwa in Frankreich der Fall ist. Das neue Elterngeld, das für maximal 14 Monate gezahlt wird, gleiche diese Entwicklung nicht aus.

Die Frauen übrigens haben die Benachteiligung durchaus registriert - und reagiert: Sie organisieren sich ihre Weiterbildung vielfach selbst. Nach der Einführung der Erziehungszeit haben sie ihre Aktivitäten in dieser Richtung um bis zu 40 Prozent gesteigert.

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8 Kommentare

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  • U
    UweRietmöller

    Perfekt, Michael Baleanu.

    Danke.

  • MB
    Michael Baleanu

    1. Die Studie ist unter http://ftp.iza.org/dp3820.pdf zu finden.

    2. Der "wichtige" Koeffizient, der die Diskriminierung der Frauen belegen soll, wäre der auf Seite 12, letzter Absatz. Es wird suggeriert, dass die Negativität dieses Koeffizienten, die Diskriminierung belegen soll.

    3. Dieser Koeffizient wird in Bild 5 dargestellt. Seine Entwicklung zeigt in Richtung positiver Werte (also in Richtung Nichtdiskriminierung). Damit ist allerdings der Beweis erbracht, dass die Diskriminierung rapide abgebaut wird.

    4. Im Abschnitt "Auswirkungen für junge Frauen ohne Kinder", der wohl wichtigste für die vermeintliche Diskriminierung, wird zugegeben, dass die statistische Information nicht signifikant sei.

    5. Wer sich ein bisschen in der Statistik auskennt, wird bestätigen, dass die Modelle, die aus statistisch nicht signifikantem Datenmaterial ermittelt wurden, nicht verwertbar sind.

    6. Wenn es also sehr gewagt ist, aus statistisch nicht signifikanten Daten, eine Diskriminierung de Frauen herauszuzaubern, dann ist es auch schlicht unseriös, daraus einen politischen Handlungsbedarf abzuleiten.

    7. Eine Binsenweisheit, die auch ohne eine Studie zu ermitteln gewesen wäre: Ausgebildet werden nur diejenigen, deren Ausbildung für die Firma wirtschaftlich sinnvoll erscheint. Mit anderen Worten, wenn das vom Arbeitnehmer Gelernte von ihm für die Firma in den nächsten Jahren eingesetzt wird. Es ist jedem Kind bekannt, dass Kenntnisse, die drei Jahre lang nicht gebraucht werden, sehr stark verblassen. Der Wiedereintritt in die Arbeitswelt gestaltet sich schwieriger.

    8. Viele feministische Kreise beklagen die fehlende Belegung der Vorstandsposten durch Frauen als Diskriminierung der Frauen. Die Grundvoraussetzung dafür ist Arbeit. Wer aber den Datenreport 2008 studiert, wird feststellen, dass gut 30% der Frauen in WestDE hauptsächlich von Unterhalt und nur 40% von der eigenen Arbeit leben.

    9. Auch der vorliegende Artikel ist eine Klage in Richtung Diskriminierung der Frauen in der Arbeitswelt. Auch für der Weiterbildung gilt als Grundvoraussetzung für eine Förderung durch den Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Wer in die Ausbildung eines Arbeitnehmers investiert, der anschliessend drei Jahre weg ist, kann das Geld genauso gut zum Fenster rauswerfen.

    10. Wie kommen wir aus dem Dilemma heraus? Haben wir vielleicht am falschen Rad in der Familienpolitik gedreht? Denn durch die Verlängerung des Erziehungsurlaubs ist die Geburtenrate nicht gestiegen.

    11. Aber in beiden vorhin genannten Fällen vermeintlicher Diskrimnierung, wäre Arbeit der Frauen der Schlüssel zum Erfolg. Da der Löwenanteil nicht arbeitender Frauen Unterhalt beziehen, sollte man vielleicht die Auswirkungen dieses Rechts auf die Bereitschaft der Frauen zu arbeiten untersuchen. Wetten, dass sich alle Diskriminierungen in Luft auflösen würden, wenn niemand mehr Unterhalt bekäme, sondern selbstbewusst für sein eigenes Auskommen sorgen würde?

    12. Dazu allerdings müssten die Väter in gleicher Höhe zur Betreuung ihrer eigenen Kinder zugelassen werden. Sowohl Gesetzgebung als auch die Rechtsprechung (erstaunlich viele Frauen tummeln sich da herum) unterstützen nur die "Ein-Eltern-Familie" (meistens die Mutter) und nur den "Allein-Ernährer" (meistens der Vater). Womit wir eigentlich eine Diskriminierung der Väter hätten! Die darf aber in den Zeiten des Gender Mainstreaming nicht thematisiert werden.

    13. Daher werden immer wieder, immer mehr Diskriminierungen der Frauen entdeckt, auch mit statistisch nicht relevanten Daten. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass mit aller Macht irgend welche Diskriminierungen aus irgendwelche Forschungstüten hervorgezaubert werden sollen.

  • SH
    Silvia Hable

    Großartig wie die TAZ seit Monaten mit ihrer angeblich emazipierten Kampagne für mehr Kinderbetreuung und früheren Einstieg ins Erwerbskleben der jungen Mütter nach der Geburt wirbt.

    Und das in Zeiten, wo es doch sowieso nicht genug bezahlte Arbeit für alle gibt und Nachhaltigkeit im Lebensstil sich durch ein Wirtschaftsschrumpfen, Entschleunigung und weniger Arbeitszeit im allgemeinen ausdrücken würde.

    Ich kenne jedenfalls viele meiner Generation zwischen 20 und 28, die ein oder zwei kleine Kinder haben und die weder Heimchen am Herd sind, noch dem Märchen von Emanzipation istgleich Vollzeitjob und Kinderkrippe hinterherhecheln.

    Freie, glückliche und selbstverantwortliche Kinder brauchen selbstbestimmte und freie Eltern, die sich vom wachsendenen Leistungs und Erwerbsdruck freimachen.

    Ich habe meine Elternzeit z.B. auch dafür genutzt in Umsonstläden mitzuhelfen, Kampagnen zu gestalten und verschiedenste kulturelle und soziale Projekte begleitet und auf den Weg gebracht. Ich habe mit meiner Tochter auf dem Rücken auf Biobauernhöfen gearbeitet und mich in Kommunestrukturen bewegt, in dem die Kinder sich oft mehr sich selbst überlassen werden, aber meiner Meinung nach größere Sozialkompetenzen haben, als überbetreute KITA Kinder, eine der unnatürlichsten Formen des Aufwachsens überhaupt. In welcher Kultur sonst wachsen 20 Kinder mit 3 Erwachsenen auf, die nichts zu tun haben, als sich mit den Kindern zu beschäftigen. Entertainmentsucht wird hier schon festgelegt und später heulen dann die bildungsorietierten LEistungsträgerInnen über die verkommenen Jugend. Und ich bin keine reiche Millioärsgattin.

    Als Buchtipp kann ich nur "Leitfaden für faule Eltern geben", für alle, die sich auf den schwierigen dritten Weg machen, der weder eine GreenNewneoliberal Deal Lobby in Form der Taz hat, noch eine CSU Tante für die treusorgende Ehefrau-Version.

    Anstatt

  • JB
    J. Bessell

    "Das Ergebnis: Beide Gruppen wurden erheblich weniger weitergebildet als ältere Frauen oder Männer."

    Das ist schon toll, wenn jemand weitergebildet wird. Ich lasse mich demnächst auch weiterbilden, das passt wunderbar zu meiner bisherigen Konsumhaltung. Nur schade, dass ich freiberuflich tätig bin, da kann ich meinen Chef nicht verantwortlich machen für meine fehlende Weiterbildung...

  • G
    Gorn

    Na prima. Erst wird frau als Kinderlose von den Arbeitgebern benachteiligt, weil Mammi und Pappi ihre Kinderbetreuungsprobleme partout nicht privat regeln können, und nun kommt noch so ein glänzender Vorschlag hier, Kinderlose gleich mal von vorn herein zu diskriminieren. Wobei sämtliche Steuer- und sonstige Vorteile für Eltern ohnehin bereits eine Diskriminierung von Kinderlosen sondergleichen darstellen und schlichtweg ersatzlos gestrichen werden sollten. Dann hätten berufstätige Frauen auch das hier beschriebene Problem nicht. Wer sich Kinder anschafft, sollte die Konsequenzen gefälligst selbst tragen, Punkt.

  • B
    Barbara

    Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Als ich in Erziehungsurlaub ging musste ich feststellen, dass mein Arbeitgeber alle Männer qualifiziert hat, mich jedoch nicht qualifizieren wollte. Eigentlich unverständlich, warum der auf meine Leistung verzichten will.

    Und auch in meinem Bekanntenkreis ist das so üblich. Als wir neulich Klassentreffen hatten, wussten viele von den gleichen Erfahrungen zu berichten. Die Männer wurden von den Arbeitgebern qualifiziert, und gleichzeitig haben die sich geweigert, die Frauen zu qualifizieren.

    Deshalb bin ich für diese Studie sehr dankbar. Zeigt das doch, dass es nicht nur in meinem Bekanntenkreis so ist, sondern offenbar in ganz Deutschland.

    Ich finde, hier ist der Gesetzgeber gefragt, mit diesem Genderfaschismus endlich Schluss zu machen.

  • MM
    Marion Manneck

    So können die Arbeitgeber natürlich recht behalten. Sie schieben Frauen einfach in schlechter bezahlte und geförderte Tätigkeiten ab.

    Hier zeigt sich doch eine enorme unflexible Einstellung der Arbeitgeber. Diese fordern von ihren MitarbeiterInnen eine hohe flexibilität.

    Vielleicht kann ja das Allgemeine Gleichstellungs-Gesetz helfen.

  • T
    tbo

    Wäre es nicht auch eine Idee, den Betrieben eine steuerliche Entlastung für die Einstellung und beschäftigung von Familienvätern - und müttern zu genehmigen. Und statt für dessen Kinderlose den Arbeitnehmeranteil zu erhöhen? Oder ist das zu einfach für unser Steuersystem?