: Betreuung als Spionage
■ Kritik von Behinderten an neuem Abrechnungsmodus für Pflege
Gegen den neuen Abrechnungsmodus für Pflegeleistungen in Berlin haben Vertreter von Behindertenorganisationen scharf protestiert. Danach soll die Pflege statt derzeit nach Stunden künftig nach standardisierten Leistungskomplexen, sogenannten Modulen, abgerechnet werden. „Die Module zerstückeln den Menschen in Arbeitsgänge“, erklärte Ralph Loell vom Berliner Behindertenverband während einer Anhörung vor dem Sozialausschuß des Abgeordnetenhauses. Die minutiöse Pflegedokumentation mache den Behinderten zu einem „Spionageobjekt“, fügte er hinzu. Menschen würden durch die Abrechnungsform, auf deren Einführung die Pflegekassen drängen, „normiert und standardisiert“.
Der Vertreter der „Landesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte“, Matthias Vernaldi, sagte, die Einführung der neuen Modulabrechnung bedeute eine „Kürzung in der Pflege“, da bei einem gleichbleibenden Leistungssatz der Pflegekasse die bezahlten Leistungen teurer werden. „Die Haushaltslöcher werden mit dem Schmerz und der Qual der Behinderten gestopft“, erklärte Vernaldi.
Dagegen verteidigte die Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen Berlin, Heidi Schaller, die von den Pflegekassen gewünschte Einführung des Modulsystems. Berlin sei das einzige Bundesland, in dem diese Abrechnungsform noch nicht eingeführt wurde. Pflegebedürftige sollten sich einen „Kostenvoranschlag“ erstellen und dann von der Pflegekasse beraten lassen, „welche Leistung sie kaufen wollen“. epd
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