Besuch bei einer Hundetrainerin: Sitz und Platz!
Nira Sorensen-Rosenberg macht Beratung für Problemhunde. Die Ausbildung dazu erhielt sie in der Hundeeinheit des israelischen Militärdienstes.
Soll ich mit dir das Zimmer teilen, / Pudel, so laß das Bellen! / Laß das Heulen / Solch einen störenden Gesellen / Mag ich nicht in der Nähe leiden. Goethe an den Schoßhund der Frau von Stein
Der Hund ist der älteste und treueste Begleiter des Menschen, wenn man absieht vom Ungeziefer, das ihn fast ebenso lange begleitet hat. Wissenschaftler vermuten, dass es bereits vor mehr als 45.000 Jahren Verbindungen zwischen Mensch und Hund gab, u. a. in der Region des späteren Kanaan (Israel und Palästina) und auf der Sinaihalbinsel. Diese lange gemeinsame Geschichte verdankt sich der enormen Anpassungsfähigkeit des Hundes und seiner Bereitschaft, für oft nur geringe Gegenleistung die erstaunlichsten Aufgaben auszuführen. In den hochmodernen Gesellschaften allerdings werden viele Dienste nicht mehr gebraucht und die Art seiner Aufgaben ist dem Haushund oftmals schleierhaft.
Um dem abzuhelfen gibt es zahllose Hundeschulen und Vereine, in denen die Vierbeiner bereits im Welpenalter erzogen werden. Die Erziehungsmethoden sind, ebenso wie die bevorzugten Rassen, wechselnden Moden unterworfen, die besonders vom Mittelstand - man kann sagen weltweit - feurig übernommen werden. Es gibt eine Flut von Literatur und einen starken Einfluss von Züchtern und Verbänden. Die Sinnlücke im Leben unseres Haushundes versucht man mit einer Vielzahl von Übungen und sportlichen Aktivitäten zu schließen, wobei der normale Familienhund oft mehr und länger lernen muss als früher der Gebrauchshund bei seiner Abrichtung. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass die früher üblichen Erziehungsmittel, Zwang und Strafe, vollkommen aus der Mode gekommen sind. Dressurmittel wie Krallenhalsbänder oder ferngesteuerte Elektroschockhalsbänder - eben noch als probate Mittel gepriesen - sind inzwischen gesetzlich verboten. Selbst Zwangsmittel wie Würgehalsbänder gelten als verpönt. Der Hund darf heute strikt gewaltfrei lernen. Das gängigste Mittel ist "positive Verknüpfung". Um die herzustellen, hat man sozusagen ein Hundegeld eingeführt. Jede Gehorsamsleistung wird anschließend bezahlt mit Leckerlis. Oft hat man den Eindruck, dass die Hunde ihre Besitzer dazu abgerichtet haben, ihnen für absolute Selbstverständlichkeiten Leckerlis zu reichen.
4,8 Millionen Hunde gibt es schätzungsweise in Deutschland, etwa 110.000 sind in Berlin gemeldet. Neben den Vertretern der 400 Hunderassen ist der Anteil der Mischlinge immer noch beachtlich groß. Nur ein sehr kleiner Teil all dieser Hunde wird durch Zwischenfälle mit Menschen auffällig (0,9 Prozent), wobei die Mehrzahl dieser Zwischenfälle glimpflich abgelaufen ist. Dennoch gibt es eine geschärfte gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Furcht vor dem Unberechenbaren im Hund, auch im eigenen, besonders wenn er unerwünschte Eigenschaften an den Tag legt. Für diese Fälle gibt es Profis wie Nira Sorensen-Rosenberg. Sie macht Problemhundeberatung (auch schriftlich) und bietet als besonderen Service eine Krisenintervention rund um die Uhr. Im Krisenfall kommt sie schnellstmöglich und hilft sofort.
Nira Sorensen-Rosenberg lebt zusammen mit ihrem deutschen Mann und ihren Katern Chack und Gordi in einer kleinen Neubauwohnung in Berlin-Zehlendorf. Wir bitten sie, uns von ihrem Leben in Israel zu erzählen und wie sie auf die Hunde kam. "Schon als Kind hatte ich einen Hund. Aufgewachsen bin ich im Kibbuz Beit Haemek das bedeutet 'Talhaus'. Es gab dort eine orthopädische Schuhfabrik und auch Landwirtschaft mit Tieren und Plantagen. Ich war dort bis zu meinem sechsten Lebensjahr, dann bekam mein Vater eine Arbeit im Ausland, in Nigeria, und wir zogen woanders hin. Er war drei Monate in Afrika und einen Monat zu Hause." Wir loben ihr gutes Deutsch. Sie lächelt und sagt: "Meine zwei Großväter kommen aus Berlin. Einer aus Spandau, einer aus Charlottenburg. Sie sind als Jugendliche nach Israel emigriert, haben einen Kibbuz aufgebaut und in der Wildnis gelebt. Eine Oma kam aus Leipzig, eine Oma kam aus Rumänien. Meine Mutter sprach Deutsch, mein Vater kann es besser verstehen als sprechen. Ich habe nie mit ihnen deutsch gesprochen, meine zweite Fremdsprache war immer Englisch. Ich habe in Israel einen Monat lang mit einem kleinen Buch Deutsch gelernt, das war mein Unterricht. Viel habe ich dann hier gelernt und natürlich von meinem Mann." Ihr Mann Michael, der im Gegensatz zu seiner zierlichen und lebhaften Frau groß und ruhig ist, kommt mit dem Tee herein, schenkt uns ein und verschwindet im Nebenzimmer. Wir fragen, wie ihre Eltern auf ihr Leben in Deutschland und ihren deutschen Mann reagierten. "Niemand in meiner Familie hat etwas dagegen gesagt. Aber ich kenne das von anderen Familien, von Freunden, deren Eltern und Großeltern immer antideutsch sind, die sagen, wie kannst du nur einen deutschen Mann heiraten! Bei uns ist das nicht so. Na ja, obwohl die meisten der Familie vernichtet wurden. Die sind nicht alle rausgekommen. Ich glaube, für meine Großeltern war es schwer, aber es war immer noch eine Art Heimat, sie sind auch im Urlaub oft nach Deutschland gefahren. Mein Vater spricht gerne mit meinem Mann deutsch. Mit mir aber nicht, da ist er merkwürdig, er hat es nie erklärt.
Aber Sie wollten ja wissen, wie ich zu den Hunden kam. Ich wollte immer Tierärztin werden. Mit 18 muss man normalerweise zum Militärdienst. Ich wollte aus dem Haus, aber nicht in Uniform. Sozialdienste kann man auch machen. Also habe ich zuerst ein Ziviljahr gemacht in einer Behinderteneinrichtung. Dort wurden auch Hunde gezüchtet und ausgebildet, danach gingen sie zum Militär, zu Sicherheitsdiensten oder in den Polizeidienst. Ein militärisch ausgebildeter Trainer hat das vor allem gemacht. Und dort bekam ich - das war eigentlich Zufall - den ersten Teil meiner Ausbildung als Hundetrainerin. Den zweiten Teil habe ich dann während meiner Militärdienstzeit gemacht, in einer Hundeeinheit. Das Behindertenprojekt Kfar Tikva (Dorf der Hoffnung) war kein Kibbuz, aber ganz ähnlich organisiert. Leute ab 25 waren da, vielleicht 100, mental und auch körperlich behindert. Es gab eine Fabrik, eine Gartengruppe, Landwirtschaft und eine Hundepension. Es gab viele deutsche Praktikanten. Die Behinderten haben die Pensionshunde versorgt, haben die Zwinger geputzt, gefüttert und Gassi geführt. Die sind gut zurechtgekommen mit den Hunden. Meine Erfahrung damals war, die meisten Hunde haben kein Problem damit, wenn der Mensch behindert ist.
Wir waren sechs Leute, unser Job war die Hundeausbildung und auch die Zucht. Meine erste Hündin in Kfar Tikva hieß Shandy. Jeden Tag haben wir morgens ganz früh angefangen. Zum Training hatte jeder vier bis fünf, manchmal auch sieben Hunde. Jeder nahm ein bis zwei Hunde, diese Gruppe trainierte, dann kam die nächste. Den ganzen Tag, bis abends. Manche Hunde müssen auch in der Dunkelheit trainiert werden, oder in der Stadt, denn die Hunde müssen sich auch an die Stadt gewöhnen. Wir trainieren sie vom Welpenalter an. Ab sechs Monaten muss der Hund auch ein bisschen Gehorsam lernen, also bei Fuß laufen, und wenn ich sage Platz! Oder Sitzen bleiben! Dann muss er auch sitzen bleiben. Dafür haben wir Würgehalsbänder. Das finde ich, ist auch nicht Gewalt oder so was."
Auf die Frage, ob Gewalt und Schmerz angewandt wurden, sagt sie gelassen: "Es ist die Frage, was ist Gewalt, Zwang und Schmerz? Also geschlagen wurde zum Beispiel gar nicht. Wir haben sowieso bis zu einem halben Jahr keine Gewalt oder irgendwas benutzt, das ging alles mit Spielen und Leckerchen. Aber wenn man beim Militär vielleicht nur sechs Monate Zeit hat, den Hund abzurichten, dann muss ich ja schnell sein, dann nahm ich auch ein Stachelhalsband. Oder - selten, ziemlich selten - das Stromhalsband. Aber es ist immer die Frage, wie man das einsetzt. Man kann sehr viel falsch machen, kann aber auch sehr viel erreichen. Wenn für diesen Hund die Methode passt, dann ist es okay, wenn nicht, wähle ich eine andere Methode. Es kommt immer auch darauf an, wofür der Hund ausgebildet wird. Es gibt Rettungshunde, Spurensuchhunde, und es gibt Hunde, die in Situationen, wo Terror angesagt ist, zum Beispiel den Geiselnehmer stellen und neutralisieren sollen. Das muss man dem Hund beibringen. Aber nicht jeder Hund ist geeignet. Ein anderer ist vielleicht gut beim Spurensuchen, zum Beispiel von Menschen, die über die Grenze gelaufen sind. Oder ein Hund ist sehr gut bei der Menschensuche in Ruinen, Bomben sind aber nicht so seine Stärke. Man muss für alles den richtigen Hund haben. Und die richtige Methode.
Bei uns ist es so: Die Sicherheit des Menschen ist das Wichtigste! Deshalb werden ja auch die Hunde eingesetzt. Das bedeutet zum Beispiel, wenn eine Bombe 500 Meter entfernt von mir ist, und der Hund explodiert, dann hat zwar der Hund sein Leben verloren, aber die Menschen konnten ihr Leben behalten. Wir trainieren sie natürlich so, dass sie aus einer bestimmten Entfernung markieren sollen. Ich bringe ihnen bei im Training, sie sollen einfach nur sitzen und damit anzeigen, es ist da. Der Hund riecht die Bombe, er riecht den Sprengstoff." (Die israelischen bombsniffing dogs sind legendär, sie haben "Chemikernasen" und erschnüffeln alle Sorten von Sprengstoff, sie suchen verborgene Bomben in Schulen, an Grenzübergängen, auf Märkten und an Busbahnhöfen. Anm. G. G.) "Er muss es lernen. Wenn ich zum Beispiel in dieser Hand TNT habe und in der anderen Hand nichts, dann lernt er zu unterscheiden und bekommt für die richtige Hand eine Belohnung. Es gibt Sprengstoffe, die kann man sogar als Mensch riechen. Ich habe nach meiner Militärzeit an einer Tankstelle gearbeitet und da kannte ich auch alle Benzine, das alte, das neue, den Stinker, den Diesel oder Biodiesel, schon am Geruch." Sie lacht. "Und wenn der Hund etwas gefunden hat, dann gibt er ein Zeichen, zum Beispiel er bellt, oder er sitzt. Eine Mine kann man gut daran erkennen, dass der Hund anfängt, im Kreis rumzugehen. Wenn die Mine frisch eingegraben ist, dann riecht die Erde ringsum. Wenn die aber da schon seit 30 Jahren liegt, dann ist der Geruch überall. Überall! Von daher ist alles möglich. Aber eine relativ frische ist kein Problem. Er findet sie garantiert und dann kann der Bombenentschärfer kommen oder der Roboter. Also die Hunde müssen sehr gut ausgebildet sein für ihre Arbeit. Als Mensch kann man das nicht, man muss ihnen trauen. Die Ausbildung dauert zwischen acht und zwölf Monaten. Für Hunde, die sich an Menschen fixieren, Spürhunde, da dauert es etwas länger, denn die müssen komplizierte Kombinationen lernen. Sie müssen lernen, die Aufgabe ist immer die gleiche, Suche der Markierungen, die Gerüche, egal ob wir im Wald, im Gebirge oder im Feld suchen, egal ob es Nacht ist oder regnet. Was wir nicht gemacht haben, wenn es zu heiß war. Dann haben wir die Übungen abgebrochen. Über 36 Grad geht gar nichts mehr, da ist der Geruchssinn weg, die Hunde hecheln und sind damit beschäftigt, ihren Körper zu kühlen.
Nach dem Ziviljahr habe ich meinen Militärdienst gemacht, in Petah Tikva (Öffnung der Hoffnung), nahe Tel Aviv, fast zwei Jahre lang. Wir hatten Hunde für alles, von Autosuche bis Suche nach einem Sprengstoffattentäter. Auch für die Grenzgebiete, wo die Palästinenser nach Israel kommen, haben wir Hunde ausgebildet und im Einsatz. Da gibt es inzwischen unheimlich viele Hunde für die Kontrolle von Autos und Menschen. Wenn ein Mensch passieren will und der Hund riecht was, dann wird der Mensch sofort rausgezogen. Da darf kein Fehler passieren. Nachdem ich meine militärische Grundausbildung gemacht hatte, bin ich in die Hundeeinheit gekommen. Es ist nicht so einfach, als Mädel da reinzukommen, es ist dort strenger, man muss Leute kennen und Vorerfahrung haben. Ich hatte Vorerfahrung und ich kannte Leute. Ich war nicht da als Kämpfer, ich war da, um für die Hunde zu sorgen, die grade keinen Soldaten hatten, damit die weitertrainiert werden und ihre Fähigkeiten nicht verlieren.
Manchmal hatte ich bis zu sieben Hunde. Und die sind nicht so sozialisiert, sie sitzen den ganzen Tag im Zwinger. Es ist nicht grade die ideale Situation. Das war auch die Zeit, wo ich mit dem Haupttierarzt gearbeitet habe, und da wusste ich dann genau, Tierärztin will ich nicht werden. Ich will lieber mit gesunden Hunden arbeiten. Dort habe ich in einem Team gearbeitet mit dem Tierarzt und dem Haupttiertrainer und eine Menge gelernt. Trainingssprache war natürlich nicht Englisch, sondern Hebräisch. Manche Hunde kamen aus dem Ausland, aus Holland oder Osteuropa, die mussten sich erst mal daran gewöhnen. Aber das geht schnell.
Wir hatten verschiedene Hunderassen. Vor allem deutsche Schäferhunde, belgische Schäferhunde, Labradore. Aber auch Jack Russel, die sind sehr gut in Ruinen, aber auch bei der Autosuche, sie machen nichts kaputt und haben viel Power. Mischlinge gab es auch und ein paar Rottweiler, eine deutsche Dogge war da für die Menschensuche. Am besten ist der belgische Schäferhund, er ist sehr intelligent und kann viele verschiedene Sachen. Und er hat einen sehr guten athletischen Körperbau, was deutsche Schäferhunde zum Beispiel nicht haben. Die sind hinten zu wenig hoch, so zurückgezüchtet, sie sind gut im 'Langsamarbeiten', zum Beispiel wenn jemand über die Grenze gegangen ist, dann ist ein deutscher Schäferhund gut, mit Soldaten zusammen. Die belgischen kann man schon alleine vorschicken. Jede Rasse hat andere Eigenschaften."
Auf die Frage, ob es in Israel auch so einen Hang zum Rassehund gibt wie bei uns, sagt sie: "Früher nicht. Ich habe von meinem Opa einen Dackel geerbt, mein Opa war eben ein Deutscher. Aber seit die Russen da sind - in den 90er-Jahren kamen viele Russen nach Israel - da hat man plötzlich viele neue, große Rassen gesehen. Die Russen sind sehr für Schönheit und Status, sie gehen auch in die Hundeausstellung und zeigen ihre Hunde. Viele Hunderassen wurden Mode, viele Züchter sind da, und es gibt, genau wie hier, die Hundekrankheiten. Das war vorher selten. Man konnte in Tel Aviv kaum so viele Rassehunde sehen wie heute. Meistens waren es deutscher Schäferhund und Labradore, und viele Mischlinge. Und wir haben in Israel eine eigene Hunderasse, den Kanaanhund. Das sind Urhunde, die seit tausenden von Jahren in der Wüste gelebt haben. Es sind sehr interessante Hunde, mittelgroß, oft weiß, mit spitzem Maul und spitzen Ohren. Sie sind sehr intelligent, heute werden sie gezüchtet." (1934 emigrierte die österreichische Kynologin Rudolphina Menzel nach Palästina, sie zähmte und züchtete Kanaanhunde und bildete sie zu Schutz- und Wachhunden aus für die zionistische Untergrundorganisation Haganah, der Vorläuferin der israelischen Armee. Anm. G. G.) Frau Sorensen-Rosenberg schlägt ihr Fotoalbum aus Israel auf und zeigt uns Bilder, auf denen sie mit einer Gruppe von Kanaanhunden in der Wüste zu sehen ist. "Sie bekommen rosa Nasen, wenn sie zu wenig Sonne haben, im Sonnenlicht werden sie wieder ganz schwarz.
Und nun komme ich wieder zurück. Nach einem Jahr und neun Monaten war meine Zeit bei der Armee vorbei, und ich wusste nicht genau, was ich wollte. Dann habe ich ein Jahr an einer Tankstelle gearbeitet, Autos betankt, alles gemacht, was dazu gehört, auch ein bisschen Mechanik. Studieren wollte ich nicht. Ich dachte, eigentlich habe ich jetzt keinen Freund und die Arbeit nervt mich. Ich habe Zeit, meinen Träumen zu folgen. Und mein Traum war immer, nach Deutschland zu gehen. Und dann habe ich mir den Deutschkurs gekauft, das kleine Buch", sie lacht, "und systematisch, jeden Tag neben der Arbeit. Diese Tankstelle war in der Mitte von gar nichts, an einer Landstraße. Es war sehr ruhig, sehr schön, sehr pastoral. Ich fuhr mit meinem klapprigen Auto hin, und hatte viel Zeit, um Deutsch zu üben. Einen deutschen Pass hatte ich ja schon, wegen der Großeltern. Meine Stiefmutter hat in einem Camphill gearbeitet, in Irland, so was gibts überall auf der Welt " (Die Camphill-Company wurde 1940 von einem jüdischen Emigranten in Schottland ins Leben gerufen, dem Wiener Kinderarzt, Heilpädagogen und Anthroposophen Karl König. Zweck war die Gründung selbstverwalteter, dorfähnlich strukturierter Lebens- und Arbeitsgemeinschaften für Behinderte. Inzwischen gibt es weltweit zahlreiche anthroposophisch orientierte heilpädagogische Camphill-Dörfer. Anm. G. G.) "Dann habe ich Bewerbungen geschickt an verschiedene Camphills, die schnellste Antwort kam vom Bodensee. Ich habe zugesagt und zwei Wochen später war ich schon am Flughafen. Wohnung weg, Auto weg, Arbeit gekündigt. Ich reiste zum Bodensee.
Dort habe ich dann Michael kennengelernt, meinen Mann. Er hatte seine Ausbildung grade beendet als Heilerzieher. In dieser Zeit dort, ein Jahr und ein paar Monate Arbeit mit Behinderten, wurde mir klar, es ist mir lieber, mit Hunden zu arbeiten. Weniger Stress. 2004 sind wir nach Berlin gegangen. Ich habe vom Arbeitsamt einen Deutschkurs bekommen, zwei Monate. Da konnte ich meine ganze Grammatik ein bisschen in Ordnung bringen, ich habe Deutsch ein bisschen wie Englisch gesprochen. Ich war die einzige Israelin, alle anderen waren Russen und Polen. Danach bin ich zufällig auf diese Möglichkeit mit der 'Ich-AG' gestoßen und nach drei Monaten war ich selbstständig, als Hundetrainerin.
Ich habe Inserate aufgegeben und ich war in verschiedenen Hundeschulen, um zu sehen, wie sie das machen. Aber ich kann nur sagen, ich arbeite anders als die deutschen Trainer. Sie sind hier sehr fixiert auf ein, zwei Methoden. Die meisten Hundeschulen arbeiten mit sehr vielen Leckerlis und sehr viel mit Klicker." (Macht ein Geräusch wie ein Blechfrosch. Anm. G. G.) "Man hört immer nur klick, klick, klick. Die Hunde finden das sehr nervig - und wir auch, wenn es 10 bis 15 Leute machen. Und es gibt viel zu viele Leinen und Geschirre. Die gehen mit Hunden, an denen sind drei bis vier Leinen befestigt und Halti usw.
Ich habe andere Vorstellungen, eine andere Philosophie: Jeder Hund braucht eine individuelle Erziehung. Die Methode muss sich dem Hund anpassen, nicht umgekehrt. Alle Regeln und Grenzen müssen tiergerecht und deutlich erkennbar sein, so dass der Hund seinen Platz in der Gruppe kennt. Methoden gibt es viele. Leckerlis, gut, aber nicht jeder Hund mag Leckerlis. Und wenn ein Hund keine mag, und auch nicht so verrückt nach Spielzeug ist - und dann zeigt er noch ein bisschen Aggression, dann WAS?! Das kann ich nicht mit Klicker und guten Worten machen, da muss ich ein bisschen strenger sein. Und Hunde, meiner Erfahrung nach - und ich habe viel Erfahrung, mit vielen Hunden -, sind froh, wenn alles klar ist. Wenn alles klar ist, dann gibt es keine Frage. Wenn ein Hund 'fragt', dann denkt er und macht Unsinn. Und wenn ein Hund Probleme macht, wenn ihnen nichts mehr einfällt, dann wird der Hund rausgeschmissen aus der Hundeschule, weil er zu dominant, zu aggressiv, zu antisozial ist. Und dann? Dann kann er zu mir kommen und ich werde seine Probleme lösen. Ich zeige dem Besitzer, wie es geht. Ich nehme ihm seine Unsicherheit und helfe ihm, ein bisschen aus sich heraus zu kommen, sich zu präsentieren vor seinem Hund, als Führer.
Es ist viel Menschenarbeit dabei, auf jeden Fall. Der Besitzer lernt, mit seinem Hund das Richtige zu trainieren, mit der richtigen Methode. Wenn zum Beispiel der Hund nur ein Geschirr trägt, muss das erst mal geändert werden. Ein Geschirr ist nur ein Halteinstrument. Für einen dominanten Hund brauche ich ein Hilfsmittel. Und ein Würgehalsband ist ein Hilfsmittel. Später kann der Hund sein Geschirr wieder tragen. Aber erst muss er begreifen, wie sind die Gesetze, wo sind die Grenzen. Wenn der Herr sagt, dieser Hund darf nicht bellen, nicht grollen, nicht ziehen, dann darf er das nicht. Wenn ein Hund Dominanz und Aggression zeigt, dann müssen sie eingreifen. Der Besitzer muss zeigen, ich bin der HERR! Und ich bestimme, du darfst keine anderen Hunde oder Tiere anfallen oder anmachen! Viele Hundehalter können nicht konsequent sein, oder sie fühlen sich zu schwach. Ich denke, man muss sowieso lernen, wie man einen Hund korrekt dominiert. Das bringe ich meinen Kunden bei.
Und wenn alles gut läuft, dann kann das Würgehalsband wieder weg, genauso wie zum Beispiel das Halti oder die Schleppleine. Es geht ja nur darum, ein Routineverhalten damit aufzubauen. Wenn die Gewohnheit dann drin ist, im Kopf, ist es gut. Das geht auch bei älteren Hunden, noch mit sieben, mit neun Jahren. Wenn der Hund was Falsches gelernt hat, muss man es ihn verlernen lassen. Man löscht mit der neuen Gewohnheit die alte aus. Man schafft einfach eine neue Routine. Aber der Besitzer muss es mitmachen, anwenden, Schritt für Schritt. Ich kann vorher nie sagen, wie ich es machen werde, jede Situation ist anders, jeder Hund, jeder Besitzer ist individuell. Wenn mich jemand ruft, weil sein Hund unerwünschte Eigenschaften hat, dominant und vielleicht aggressiv ist, dann werde ich zu dem Besitzer nach Hause kommen, um zu sehen, wie er mit diesem Hund lebt, wie reagiert er, wie stellt er sich dar, was macht der Hund. Und ich gehe mit ihm raus, wenn er Gassi geht. Es gibt Hunde, die zu Hause alles perfekt machen, aber auf der Straße oder im Hundeauslaufgebiet sind sie auffällig und machen Probleme. Ich beobachte, und es wird ganz schnell klar, was falsch läuft. Und sehr oft geht es dann so schnell besser, dass die Besitzer sich wundern. In den meisten Fällen bin ich dreimal bei den Leuten, einmal pro Woche. Ich zeige ihnen alles und sie machen es einfach nur konsequent nach. Gut, das ist vielleicht schlecht für mein Geschäft, viele Hundetrainer machen das meistens viel länger. Aber wenn ich schnell Erfolg habe, bringt mich das auch weiter."
Auf die Frage, ob sie mal gebissen wurde, antwortet sie sofort und ohne Umschweife: "Ja, natürlich. Was habe ich gemacht? Ganz ruhig bleiben, nicht anfangen zu schreien, nicht hauen. Ihn auf den Boden legen, ihn unterwerfen, mit Ton und Körpersprache. Sie beißen normalerweise, weil sie plötzlich unsicher sind. Ich bin nie doll gebissen worden, es war mehr so ein Zwicken aus Unsicherheit über seinen Status. Ich habe ihm ganz ruhig gezeigt, dass alles wieder in Ordnung ist. Habe die Ordnung wieder hergestellt. Und die Ordnung ist die Rangordnung. Wenn ich sage SITZ, dann machst du Sitz, wenn ich sage KOMM, kommst du, wenn ich sage BEI FUSS, dann gehst du bei Fuß. Das ist in Ordnung. Dann gibt es keine Fragen. Es ist doch immer so: Hunde möchten keine Probleme. Sie wollen kein Problemhund sein. Nicht nur der Herr ist vollkommen erleichtert, auch der Hund! Und das kann ich. Ich bin dazu da, dass die Hunde besser leben, und die Menschen mit den Hunden besser zusammenleben. Der Hund will nur ein Hund sein, nicht mehr und nicht weniger, und egal, wie viele Mitglieder in der Familie sind, der Hund muss verstehen, dass sein Platz in der Hierarchie nicht in der Mitte ist, sondern ganz unten. Es ist so. Er muss nicht mehr kämpfen, ich muss nicht mehr kämpfen.
Es ist wichtig, dass jemand als Hundebesitzer die Alpha-Rolle übernimmt. Sonst wird der Hund sie übernehmen. Und das will der Hund aber eigentlich gar nicht, das kann er gar nicht, denn er lebt ja nicht in der Natur. Und Alpha-Rolle, das verstehen die Besitzer manchmal falsch, das bedeutet ja nicht, dass man ständig brüllt und mit dem Fuß stampft. Nein, genau das Gegenteil. Ruhig und relaxt ist das Alphatier! Ganz entspannt. Er ist locker, die Leine ist locker. Ein guter Führer soll ganz ruhig sein. Auch in Situationen, wo es etwas schwierig ist. Ich rede fast nie laut. Mir ist es lieber, dass ich es ruhig halte und ein bisschen tiefer mit der Stimme gehe, als dass ich schreie." Sie schreit schrill und hoch: "NEIN! Hör auf! Pfui! Ich brauche das nicht. Und auch zur Belohnung muss ich nicht so hoch und so oft", sie macht es wieder vor, "FEIN! Fein! Fein! rufen. Ich variiere schon meine Stimme, auch um den Stress abzubauen beim Hund, aber nicht als Routine. Wenn ich meinem Hund ganz ruhig zeige, was er nicht machen soll, dann ist das für ihn viel wichtiger, als wenn ich dauernd lobe. Er merkt ja, dass alles viel harmonischer wird. Und ich muss auch den Hund nicht dauernd füttern zur Belohnung.
Was ich vorhin über das Clicker-Training gesagt habe, dass es die Hunde und Hundehalter nervt, wenn sie in einer Gruppe trainieren, es ist natürlich auch deshalb ein Problem, weil mit jedem Clickern Leckerlis gegeben werden. Und das bei Hunden, die oft sowieso schon zu dick und zu verfressen sind. Man kann, das funktioniert sehr gut, auch mit Spielzeug belohnen und mit Spiel. Oder noch so eine Sache, Fütterung aus der Hand. Die Frage ist, warum? Warum soll ich den Hund ausschließlich aus der Hand füttern? Ich finde das nicht nötig. Außer der Hund ist schwer traumatisiert von Menschen oder was. Aber auch da gibt es andere Lösungen. Und es ist auch nicht der Weg, ihm damit Gehorsam und Erziehung beizubringen.
Der Hund soll ein Hund sein können. Er ist kein Mensch, keine Maschine, kein Roboter. Erziehung hat viele Wege, manchmal kann ich es ihm nur mit einem Blick zeigen, mit einer Geste, mit ruhigen, deutlichen Worten, oder ich muss manchmal ein bisschen strenger sein, einmal mit der Leine kurz drohen, nicht hauen, ich haue nie! Aber drohen, nur so als Warnung. Ich arbeite nicht nur mit einem Weg. Ich kombiniere viel. Mein Konzept ist, ich finde das, was zu dem Hund passt - und zum Besitzer.
Manchmal ist es so, ich sage, was für den dominanten Hund besser ist, aber der Besitzer findet das nicht gut. Ich sage zum Beispiel, der Hund darf nicht mehr im Ehebett schlafen, nicht auf dem Sofa oder in den Sesseln liegen. Der Besitzer will daran gar nichts ändern, will aber, dass sein Hund sich unterordnet und gehorcht. Das geht nicht. Entweder wir können uns einigen, oder es geht nicht. Aber die meisten Hundebesitzer, wenn sie mich schon anrufen, dann wollen sie ja was von mir, die sind kooperativ. Sie wollen, dass die Beziehung gut ist zwischen ihnen und ihrem Hund. Denn wenn die Leute manchmal keinen Spaß mehr haben an ihrem Hund, dann ist das ja traurig. Oft ist das Problem nur ganz klein, aber es nervt. Neulich zum Beispiel war ich bei einem alten Ehepaar. Sie haben einen Dackel und der Dackel hat die Frau immer ein bisschen ins Bein gekniffen und an der Hose gerissen, wenn sie vom Wohnzimmer raus in den Garten gegangen ist. Schimpfen und schreien hilft da nichts. Das haben sie schon lange versucht. Und da habe ich die Wasserpistole eingesetzt. Wasser spritzen, am besten auf die Nase, und NEIN! Der Hund ist erschrocken und das wars. Genauso kann man es beim Kläffen machen. Der Hund merkt sich das und nach zwei- bis dreimal ist es gut. Das schadet ihm nicht, das macht ihn nicht fett, das bringt einen Erfolg. So gibt es viele Methoden und Wege.
ch baue jetzt grade eine Hundeschule auf, für das Hundetraining. Ehemalige Kunden haben immer wieder gefragt nach einer Möglichkeit zum Gruppentraining, und dafür ist schon ein fester, umzäunter Platz nötig. Und den habe ich jetzt gefunden, etwas außerhalb von Berlin, eine halbe Stunde mit dem Auto. Ich mache das in Kooperation mit einer Frau, auf ihrem Grundstück. Sie war Kundin von mir und hat dort gerade eine Hundepension eröffnet. Da fange ich jetzt erst mal an, ganz allein, ohne Verein, ohne Club. Dort ist viel Platz, es gibt viele Möglichkeiten. Es ist ideal, auch für Hunde, die gelangweilt sind, weil sie nicht genügend Auslauf haben oder zu wenig Kopfarbeit. Da ist es wichtig, dass sie was mit dem Besitzer zusammen machen. Es ist auch gut für die Beziehung, und für die Gesundheit des Hundes und des Herrn. Ein Hund will nicht zu Hause sitzen, in einem Körbchen mit Spielsachen und Gourmetessen, er will raus und etwas unternehmen. Er will eine Aufgabe, er will etwas lernen. Ich mache Gruppentraining, Einzeltraining, Welpenstunde und Junghundstunde, immer samstags. Man kann Geschicklichkeitsspiele machen, Auch Agility, alles. Aber erst mal Sozialisierung. Das ist sehr wichtig, dass die miteinander klarkommen, und dann kommt der Gehorsam dazu und alles andere.
Die Hunde können viel mehr, als manche Leute glauben. Ich habe vor einer Weile eine Gruppe von Kanaanhunden zusammengebracht. Das waren Hunde aus Deutschland, aus Österreich, die da gekommen sind, Hunde, die sich nicht kannten. Und Kanaanhunde sind auf jeden Fall sehr aggressiv gegen andere Hunde, sie haben einen starken Charakter, das ist bekannt. Aber dort waren alle ruhig und friedlich, es gab keine Bellerei und nichts. Dieses Verhalten möchte ich. Nicht mehr, nicht weniger."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“