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Bestseller-Verfilmung "Tannöd"Best-of aller Provinzklischees

Die Verfilmung des Krimi-Bestsellers "Tannöd" erinnert an einen TV-"Tatort". Schade. Mit Julia Jentsch und Monica Bleibtreu hätte es ein toller Film werden können.

Julia Jentsch ist "Kathrin". Bild: wüste film/tom trambow

Und ewig geifern die Tannenwälder. Die Erzählweise von Andrea Maria Schenkels Überraschungsbestseller "Tannöd" war der Regisseurin Bettina Oberli wohl zu distanziert, der Rahmen zu eng. Jedenfalls hat sie in ihrer Verfilmung ziemlich das Gegenteil gemacht. Wie das Buch ist ihr Film um Zeugenaussagen konstruiert - aber drumherum wabert bei Oberli der Nebel, da wird im Off um Erlösung gebetet, da wird abwechselnd verdächtig gewispert und bedeutsam geschwiegen, da friert im Wald die hölzerne Jesusfigur am Kreuz. Ein Mord an einer ganzen Familie ist geschehen, niemand kennt den Täter - und Bettina Oberli sowie ihr Kameramann Stéphane Kuthy produzieren Atmosphäre, Atmosphäre, Atmosphäre. Jede Menge Dräuendes und Drängendes ist in die Bilder gepackt.

Wen will Bettina Oberli da immer so beeindrucken? Man weiß es nicht. Was sie sonst im Sinn hatte, hat man schnell raus: statt den Kriminalfall zu erzählen, das Tableau einer Dorfgemeinschaft in voremanzipierter Zeit zu entwerfen. Aber ihr Blick ist im Grunde arrogant. Als reichte eine städtische Entrüstung über die Dumpfheit, Triebhaftigkeit und den Patriarchalismus des Landlebens für einen ganzen Kinofilm. Das Verhängnis lauert hier hinter jedem Heuhaufen.

Für einen wirklich ethnologischen Blick ist das alles zu ungenau, für einen wirklichen Thriller fehlt die Dramaturgie. Vor allem: Man kennt fast jede Einstellung aus dem "Tatort", wenn es die Kommissare mal aufs Land verschlagen hat und Lokalkolorit eingefangen werden soll. Dann knackt es unheimlich im Gebüsch. Im Wirtshaus trinken rotgesichtige Männer Schnaps. Am Küchentisch wird erst gebetet, dann Eintopf gegessen. Auf der Dorfstraße gucken alte Frauen skeptisch Neuankömmlingen hinterher. Wie ein Best-of aller Provinzklischees wirken diese Szenen. Und die Kamera, die den Figuren ständig auf die Pelle rückt, will alles Gerede über Schuld und Sünde penetrant entlarven. Schon nach kurzer Zeit fühlt man sich als Zuschauer in sozialkritischer Geiselhaft.

Schade um die guten Schauspielerinnen: Julia Jentsch muss als junge Frau, die von außen ins Dorf kommt und als Katalysator der Selbstdarstellungen seiner Bewohner fungiert, vor allem rehäugig gucken. Monica Bleibtreu in einer ihrer letzten Kinorollen gibt eine Art Kassandra auf der Alm. Ganz schlimm hat es Brigitte Hobmeier als zentrale Projektionsfigur aller sexuellen Gelüste erwischt; hexisch wehen ihre roten Haare im Kuhstall.

Am besten wäre es, man würde "Tannöd" gleich noch einmal verfilmen. Diesmal mit besser dosierter Atmosphäre.

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3 Kommentare

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  • DA
    Daniel Anderson

    Der Film ist genauso eine Zumutung wie das Buch - einfach nur schlecht, uninspiriert, langweilig, dröge, jämmerlich zusammen geschustert, ohne Dramaturgie. Wieso kann ich mir eigentlich nicht mein Geld an der Kinokasse wiedergeben lassen, das Buch hab ich schon wieder ins Antiquariat gebracht und mir dafür was anderes gekauft.

    Ja, und auch ich frage mich, wer gibt das Geld für eine solche Produktion, wer besetzt die Rollen mit den ewig gleichen Gesichtern, deren ewig gleicher Ausdruck (so, jetzt mal Mimik 17b oder lieber doch 5a) einem den ganzen Abend versauen kann. Und dann fragt man sich, wieso andere Autoren und Regisseure jahrelang für einen Stoff kämpfen müssen und doch nur Absagen bekommen. Und keiner kennt die Antwort!

  • A
    Anne

    Dem Kommentar von Johnny schließe ich mich an. Das Buch ist eine Zumutung. Die Namen der Schauspieler gibt schon vor, was zu sehen sein wird.

    Es ist mir unbegreiflich, wo das Geld für die vielen langweiligen Produktionen herkommt. Mein Eindruck ist, Hauptsache ein paar bekannte Namen, das läuft dann schon. Mitunter sind ja schon die Besetzungen der Hauptfiguren identisch, wenn ich aber die Schauspielerinnen z.B. als Mutter, Mörderin und Ermittlerin gesehen habe, sind sie einfach nur verbraucht.

    Und: wenn ich schon am Anfang des Film aufgrund der Schauspielerin weiß, welche Rolle sie im Film einnehmen wird, bin ich frustriert.

  • JO
    Johnny Odenwald

    Schwer, aus einer solchen Vorlage einen guten Film zu machen. Das Buch war schon unglaublick klischeebeladen, langweilig und zusammenhanglos komponiert. Außerdem ein mutmaßliches Plagiat. Damals eine völlige Fehlentscheidung für den Buchpreis.