Besser pflegen: Küche statt Klinik
■ Alternativen zum Heim sind gefragt: Demenz-WG oder Wohnküchenmodell
„Niemand will ins Pflegeheim, aber alle Einrichtungen haben Wartelisten“, stellte Wolfgang Müller vom Paritätischen Wohlfahrtsverband gestern im Rahmen der Fachtagung „Zukunft der Heime“ fest. Martin Stöver vom Referat Altenhilfe beim Sozialsenator umriss die Bremer Entwicklung in Zahlen: Seit 1990 sei die Zahl der alten Menschen höchstens um drei Prozent gestiegen. Das Angebot an Pflegeplätzen wuchs allerdings „rasant“ um 30 Prozent. Die Auslastung liege kontinuierlich bei 98 Prozent, so Stöver. Das Sozialressort gehe dennoch davon aus, dass nicht immer mehr Pflegeplätze geschaffen werden müssten. Das fand auch Gabriele Becker-Rieß von der Bremer Heimstiftung : „Das Angebot bestimmt die Nachfrage.“
Zunächst wollen jetzt die Pflege-ExpertInnen eine HeimbewohnerInnenbefragung organisieren. Die Frage: Wie zufrieden sind die Betroffenen mit ihrer Pflegeeinrichtung? Auch über alternative Pflegemöglichkeiten berieten die Pflege-Fachleute. Ein Weg könnte der sein, den Klaus Pawletko von dem Berliner Verein „Freunde alter Menschen“ vorstellte: Wohngemeinschaften für pflegebedürftige oder demenzkranke Menschen. In Berlin gebe es mittlerweile rund 40 WGs, einige schon seit Jahren. Die Pflege sichert ein ambulanter Dienst. „Die Pflegenden kommen zu Besuch. Die Kranken, die da zu Hause sind, sagen was sie brauchen. Es ist auch schon vorgekommen, dass ein ambulanter Dienst rausgeworfen worden ist.“ Pawletko sieht darin einen „Paradigmenwechsel“: Pflegebedürftige Menschen bestimmen ihre Pflege weitgehend selbst. Aber: „Solche WGs können nur mit einem großem Angehörigen-Engagement seigut laufen.“
Bremer WG-Versuche seien bisher gescheitert, sagte Becker-Rieß. Besser funktioniere das „Wohnküchenmodell“ im Pflegezentrum Rablinghausen. Dort versorgen sich die 62 BewohnerInnen größtenteils in sechs Küchen selbst. Wenn Demenzkranke kleine Aufgaben erledigen, könnten sie wieder Erfolgserlebnisse haben, ihr Krankheitsverlauf würde gebremst, berichtete Becker-Rieß. Altersdepressive PatientInnen aus Rablinghausen mussten nicht mehr ins Krankenhaus. ube
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