Bespitzelungsaffäre bei der Telekom: Opferanwälte kritisieren Justiz
Die Anwälte der Bespitzelungsopfer werfen Ermittlern unzureichende Arbeit und Nachlässigkeit vor. Die Ermittlungen gegen Manager seien zu früheingestellt worden.
BONN taz | Mit scharfen Vorwürfen gegen die Justiz hat die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di ihre Bilanz des Bespitzelungsskandals bei der Telekom gezogen. Bis heute sei vieles unaufgeklärt geblieben, notwendige strafrechtliche Konsequenzen nicht gezogen worden. "Es bleibt Unbehagen und Skepsis gegenüber dem Justizsystem", sagte Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Lothar Schröder am Mittwoch in Bonn.
Im April 2008 kam heraus, dass die Sicherheitsabteilung der Telekom in den Jahren 2005 und 2006 mehrere Dutzend Aufsichtsräte, Gewerkschafter und Journalisten ausspioniert hatte. Um herauszufinden, wie Unternehmensinterna an die Presse gelangten, hatte der Bonner Konzern systematisch Telefon- und Handyverbindungsdaten erfasst und ausgewertet. Ende 2010 verurteilte deswegen das Bonner Landgericht einen Ex-Abteilungsleiter für Konzernsicherheit zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Ermittlungen gegen Exkonzernchef Kai-Uwe Ricke und Ex-Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel hatte die Staatsanwaltschaft hingegen lange vorher eingestellt. Eine Entscheidung, die bis heute bei den Opferanwälten Gerhart Baum und Herta Däubler-Gmelin auf Unverständnis stößt. "Wir stehen vor der Tatsache, dass die Justiz nicht ausermittelt hat", sagte Baum. "Sie hat es sich zu einfach gemacht." Über ihre Beschwerden gegen die Verfahrenseinstellungen hat die Kölner Generalstaatsanwaltschaft auch nach einem Jahr noch immer nicht entschieden.
Trotzdem legten der Ex-Bundesinnenminister und die Ex-Bundesjustizministerin nun einen 51 Seiten starken Abschlussbericht vor. Darin werfen sie der Justiz eine frühzeitige Verengung der strafrechtlichen Ermittlungen vor. So habe sie "die Aufklärung der Frage vernachlässigt, warum von den Bespitzelungsaktionen neben einigen Journalisten ausschließlich gewählte Arbeitnehmervertreter, Angehörige und Mitarbeiter sowie herausgehobene Gewerkschafter betroffen waren".
Entsprechend sei auch der damit verbundene Eingriff in die Grundrechte von gewerkschaftlichen Mandatsträgern bis hin zu Ver.di-Chef Frank Bsirske und DGB-Chef Michael Sommer nicht ausreichend gewürdigt worden. "Hätten sich die Bespitzelungsskandale gegen vergleichbar hochrangige Repräsentanten der Wirtschaft und deren Verbände gerichtet, wäre gerade dieser Aspekt wohl kaum derart aus dem Blickfeld der Justiz geraten", kritisieren die Opferanwälte.
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